Historical Weihnachten Band 01: Das Geschenk der heiligen Nacht / Die Winterbraut / Licht der Hoffnung
um sich von ihrem Vater noch ermahnen zu lassen, und doch würde er wohl ein ernstes Wort mit Stephen reden müssen, der von Tag zu Tag unbesonnener handelte.
„Seid Ihr weit gereist, Mylady?“, fragte Stephen und schnitt ein Stück Käse ab, das er ihr auf der Spitze seines eigenen Messers anbot. Es war eine freundliche Geste, doch sein Tonfall verriet Campion, dass sein Sohn etwas im Schilde führte.
„Nein, nicht sehr weit“, sagte Lady Warwick, als sie mit ihren schmalen Fingern vorsichtig das Stück Käse abnahm. Ihre Antwort war eher nichtssagend, und Campion überlegte, ob sie wohl versuchte, der Nähe zu entkommen, die Stephen ihr aufzwang. Vielleicht war es auch die Frage an sich, die ihr missfiel.
„Aber wieso bin ich Euch dann noch nie begegnet? Wie nah ist Euer Zuhause?“ Auch wenn Campion Stephens unverhohlenen Sarkasmus nicht schätzte, wollte er dennoch ebenfalls mehr über seinen Gast in Erfahrung bringen.
„Ich lebe in Mallin Fell, auf dem dortigen Rittergut.“
Campion ließ sich sein Erstaunen nicht anmerken, aber das war selbst bei bestem Wetter keine Reise von einem Tag, sondern etliche Tagesritte in östlicher Richtung entfernt.
„So“, meinte Stephen, während sie weiter an dem Stück Käse knabberte. „Ich bin mit dieser Gegend nicht allzu vertraut, und ich kenne dort auch keine Warwicks. Wem gehört der Besitz?“
Lady Warwick reagierte gereizt. „Mir. Wenn die Mylords mich dann entschuldigen würden, ich möchte mich gern zur Ruhe begeben.“ Damit hatte sie sich geschickt aus der Affäre gezogen und musste keine weiteren Fragen beantworten. Als sie von ihrem Stuhl aufstand, bekam Campion ein weiteres Mal ihre schlanke Fessel zu sehen, da sie offenbar vergessen hatte, dass sie kein Schuhwerk trug. Ihre Dienstmagd jedoch tauchte wie aus heiterem Himmel neben ihr auf und reichte ihr ein neues Paar Schuhe, das sie schnell anzog.
„Wilda, begleite Lady Warwick bitte zu ihrem Gemach“, sagte Campion, bevor Stephen sich als ihre Eskorte anbieten konnte. Die Dienerin tat, wie ihr geheißen, und er sah der Dame nach, als sie zur Treppe ging. Obwohl sie keineswegs von großer Statur war, wusste sie, wie sie auftreten musste, damit man ihr mit Respekt begegnete. Sie hätte eine Königin oder Äbtissin oder eine andere mächtige Frau sein können – wäre da nicht diese wilde, üppige Mähne gewesen. Ihr Haar fiel ihr unkeusch bis zur Taille und wogte bei jedem Schritt hin und her …
Campions unziemliche Gedanken wurden jäh von einem Schnauben und einem dumpfen Knall unterbrochen, als sich ein mürrisch dreinblickender Stephen auf den frei gewordenen Stuhl fallen ließ. „Hochnäsiges Weib“, murmelte er. „Vermutlich ist sie so etwas wie eine Männerhasserin.“
Reynold brummelte gereizt und streckte auf seinem Platz vor dem Kamin sein verkrüppeltes Bein aus, nachdem die Dame nun gegangen war. „Nur weil sie dir nicht gleich auf den Schoß gesprungen ist, so wie es jede andere Frau macht?“
„Wenn du so klug bist“, gab Stephen zurück, „dann verrate mir doch mal, warum eine junge hübsche Frau mit Vermögen und Grundbesitz nach dem Tod ihres Mannes weiter unverheiratet ist!“ Dabei zog er auffordernd eine dunkle Augenbraue hoch.
Reynold zuckte mit den Schultern, da ihn solche Dinge nicht interessierten. „So jung ist sie auch wieder nicht.“
Überrascht schaute Campion seinen Sohn an, denn Lady Warwick konnte nicht viel älter sein als Reynold. Abermals rätselte er über ihr Alter, zumal Reynold offensichtlich jene Reife erkannt hatte, die unter ihrem jugendlichen Gesicht verborgen lag.
„Womöglich ist sie unfruchtbar“, überlegte Stephen.
„Stephen!“, ermahnte Campion seinen Sohn, der diesmal eine Zurechtweisung mehr als verdient hatte.
„Wieso?“, gab der zurück und warf ihm einen verdrießlichen Blick zu. „Was könnte sie sonst von einer Ehe abhalten? Außer natürlich, sie ist eine Xanthippe, was sein könnte, wenn man bedenkt, wie hoch erhoben sie ihr hübsches kleines Kinn hält.“
Campion stand auf, da er nicht beabsichtigte, Stephen beim Schmollen zuzusehen, nur weil Lady Warwick sich nicht wie andere Frauen von ihm hingerissen zeigte.
„Für dich ist sie sowieso zu alt“, murmelte Reynold, während er seinen Oberschenkel rieb. Die beißende Kälte hatte dem Bein sicher nicht gutgetan, doch Campion war klug genug, sich dazu nicht zu äußern.
Stephen schnaubte verächtlich. „Sie ist nicht älter als ich. Außerdem ist an einer
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