HISTORICAL WEIHNACHTEN Band 02
hüpfte das Kind vor Honoria zur Tür. Dort drehte es sich noch einmal um und deutete auf die am Boden liegende Apfelschale. „Gehört Onkel Ian jetzt wirklich dir, Tante Jules? Hat das der Apfel so gemacht?“
„Oh nein, meine Süße“, erwiderte Juliana mit einem etwas gequälten Lächeln. „Das war nur ein dummes Spiel, das Frauen so spielen.“
„Jetzt komm, du Racker“, befahl Honoria und nahm Kits Hand. „Und kein Wort zu Onkel Ian über diese Geschichte, hörst du? Er ist nicht hier, um sich Geheimnisse anzuhören, sondern um Weihnachten mit uns zu feiern.“
Juliana betete, dass er einen anderen Grund hatte, hier zu sein. Sie wusste, dass ihre Verbindung nicht zu übertreffen sein würde, denn sie konnte Ian Gray lieben. Und wenn sie auch nur die geringste Chance bekam, könnte sie ihn dazu bringen, auch sie zu lieben. Ihr Kind sollte ein zusätzlicher Segen ihrer Vereinigung sein und nicht der Grund für eine erzwungene Heirat. Sie wollte, dass Ian sie um ihrer selbst willen wollte.
Zum ersten Mal in ihrem Leben würde sie an Weihnachten von Menschen umgeben sein, die sie zu mögen schienen und denen sie aus tiefstem Herzen zugetan war. Und einem von ihnen ganz besonders. Was für ein wunderbarer Abend das werden wird, dachte Juliana glücklich.
Sie trug den Kopf so hoch wie ihre Hoffnungen, als sie die Treppe hinuntereilte. Dort stand Ian, nahe dem Eingang. Die immer eifrige Berthilde nahm ihm den Mantel ab. Alan kam gerade aus Richtung des Söllers und richtete sich die Tunika. Offensichtlich hatten sich die beiden Männer über das, was Ian zu besprechen hatte, ausgetauscht.
„Lady Juliana.“ Ian verbeugte sich und begrüßte sie mit ausgesuchter Höflichkeit. Doch das spöttische Funkeln lag nicht wie sonst in seinen Augen, wie sie bemerkte. Sein gezwungenes Benehmen beunruhigte sie.
Anders als bei ihrem ersten Zusammentreffen vermied er es, sie zu berühren, ja selbst ihre Hand zu küssen.
Als Ian den Blick von ihr abwandte und angelegentlich die zusätzlichen Kerzen und das frische Grün betrachtete, das die Halle schmückte, warf Alan ihr einen fragenden Blick zu. Juliana zuckte leicht die Achseln, um anzudeuten, dass sie auch nicht wusste, was ihren Gast bewegte.
Der Ritt von Dunniegray hierher musste ihn ermüdet haben, denn seit dem frühen Morgen hatte sich der Schnee immer höher aufgetürmt, und es blies ein heftiger Wind. Ian gerötetes Gesicht bezeugte das. „Geht es Euch gut, Sir?“, fragte Juliana.
„Gut genug. Und Euch?“ Er lächelte, aber das Lächeln erreichte nicht seine Augen, und es drückte auch nicht Ians übliche gute Laune aus.
„Ich erfreue mich ausgezeichneter Gesundheit, danke“, antwortete sie.
„Komm jetzt, ruhe dich aus und trinke einen Becher Met“, lud Alan ihn ein und klopfte ihm dabei auf die Schulter. „Wir essen zuerst, und dann spielen wir.“ Er warf den beiden einen gespielt entschuldigenden Blick zu. „Wenn ihr mich jetzt entschuldigen wollt, ich werde mich später zu euch gesellen. Unterhalte diesen Burschen, willst du, Mädchen?“
„Berthilde, steh nicht herum und döse! Hole Sir Ian heißen Met!“ Juliana beobachtete, wie Ian leise seufzte. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck der Resignation. Die Sorge um ihn ließ sie kühner werden, als sie es sonst gewesen wäre. Rasch ergriff sie seinen Arm und schmiegte sich an ihn. „Ihr seid ganz durchgefroren, Sir. Kommt zum Feuer und setzt Euch zu mir, bis die Tische vorbereitet sind“, lud sie ihn ein.
„Gerne“, murmelte er und sah dabei überhaupt nicht glücklich aus. Irrte sie sich, wenn sie glaubte, dass er sie vielleicht immer noch wollte? Hatte sie ihn, bevor er ging, so mit Abscheu erfüllt, dass es ihn verzweifeln ließ, wenn er Zeit in ihrer Gesellschaft verbrachte?
Als er sich auf eine Bank nahe dem Feuer setzte, drängte Juliana sich neben ihn. Irgendwie musste sie seinen Respekt und sein Interesse wiedergewinnen. Aber sie würde ihm nichts von der Erbschaft und dem Kind erzählen, bevor sie herausgefunden hatte, ob er sie immer noch zur Frau haben wollte. Sie wusste, dass jede Enthüllung ihr mit Sicherheit einen Ehemann verschaffen würde, aber sie wollte nicht, dass Ian sich zu etwas gezwungen fühlte. Sein Stolz so gut wie ihrer standen hier auf dem Spiel.
Ian wusste, dass er die trübe Stimmung, die mit dem Verkauf von Dunniegray zusammenhing, abschütteln musste. Ein Ritter mit Landbesitz zu sein hatte für ihn die Welt bedeutet, aber Julianas zukünftiges
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