HISTORICAL WEIHNACHTEN Band 02
trug er den Weihnachtsstern und strahlte vor Freude über seine wichtige Rolle.
Das Spiel begann. Crispin, der Metzger, war ein ausgezeichneter Herodes. Er war wegen seiner schroffen Stimme und seinem brutalen Aussehen ausgewählt worden. Aber kein Charakter konnte weiter von dem des bösen Königs entfernt sein als seiner.
Dass er seine Diener, seine Bauern, seine Ritter und Soldaten persönlich kannte und nicht nur bei ihren Namen oder wegen ihrer Dienste, machte Will froh. Er unterhielt sich mit ihnen, wusste, wann sie heirateten oder ein Kind geboren wurde, wann einer starb oder Unstimmigkeiten herrschten und Krankheit sie traf. Ihm gehörte ihre Treue, aber was wichtiger war, ihm gehörte ihre Freundschaft.
Immer noch war vieles aus seiner Vergangenheit in ihm lebendig. Er war ganz unten, am Ende der gesellschaftlichen Leiter geboren, an deren Spitze er jetzt stand. Seine Mutter war eine Bedienstete gewesen und er ihr Bastard. Zumindest hegte er diesen Verdacht. Sie hatte nie über seinen Vater gesprochen. Er glaubte, dass er der Bankert des Burgherrn war. Wenn es sich traf, dass dieser Mann vorüberging, war er manchmal stehen geblieben und hatte ihn seltsam angeschaut. Obwohl er möglicherweise von adligem Blut war, hatte Will wie ein Diener gelebt und trotzdem nicht das Gefühl gehabt, auf etwas verzichten zu müssen. Er war glücklich gewesen.
Sein Los änderte sich, als er mit sechzehn ein Schwert und ein Pferd stahl und sich als Junker eines nahen Lehnguts ausgab. So hatten seine Lektionen über den Krieg und über ein neues Leben begonnen. Später hatte er sich wie viele arme Ritter als Söldner verdingt, und das Schicksal verschlug ihn unter die Schutzherrschaft des großen Lucien de Montregnier.
Er hatte seine bescheidene Herkunft nicht vergessen. Immer noch konnte er sich an die Zeit erinnern, als Selbstbestimmung etwas Kostbares war. Sie hatte ihn den Wert der Freundlichkeit gelehrt. Sein Ehrenkodex war nicht weniger anspruchsvoll als der des Geburtsadels, doch er war einfacher. Er gründete auf Respekt.
Deswegen hatte er beschlossen, die reizende Olivia zu vergessen. Sie wollte nicht sein Bett beehren, also sollte es nicht sein. Es gab nichts, was er noch tun würde. Er hatte ihr gesagt, sie sollte ihre Geheimnisse für sich behalten, und trotz seiner Neugierde würde er der Sache nicht länger nachgehen. Niemals würde er seine Stellung ausnützen, um eine Frau, die unter seinem Schutz stand, zu kompromittieren. Ja, er begehrte sie. Aber sie musste ihn auch begehren, sonst war es nicht richtig. Deshalb beschloss er, sich die Sache aus dem Kopf zu schlagen.
Nur dass er jetzt während der Weihnachtsfeier dasaß und darüber nachdachte, wie er es anstellen sollte, nicht mehr an sie zu denken.
„Mylord“, flüsterte eine Frau ihm ins Ohr. „Bethelda schickt mich. Ich soll Euch holen. Es geht um dieses Mädchen Olivia. Sie ist krank geworden. Bethelda wünscht …“ Der Rest der Worte ging unter, als er auf die Füße sprang. „Wo ist sie?“
„In der Getränkekammer. Sie wollte gerade den Wein auftragen …“
Er stürzte davon, schob Leute beiseite und stolperte fast über einen armen Mönch, der ihm zufällig über den Weg lief.
In dem kleinen Raum, in dem die für Weihnachten vorbereiteten Getränke aufbewahrt wurden, lag Olivia auf dem Boden. Gott sei Dank hatte sie die Augen offen, aber es schien ihr nicht gut zu gehen. Einige von Wills Bediensteten standen um sie herum, genauso wie ein Wachhabender, der sich sichtlich unwohl fühlte und sehr erleichtert war, dass sein Herr kam und ihm die Angelegenheit aus der Hand genommen wurde.
Will schob das zerbrochene Geschirr beiseite, das den Boden bedeckte, und kniete neben Olivia nieder. „Sie wollen mir nicht erlauben, aufzustehen“, beschwerte sie sich.
„Was ist hier geschehen? Wie wurde sie verletzt?“
Bethelda war sofort in Reichweite. „Nicht verletzt, Mylord“, erklärte sie. „Sie war dabei, Glühwein zu holen und fiel einfach um. Ich glaube, sie war nur kurz ohnmächtig, denn sie erholte sich schnell wieder.“ Kopfschüttelnd und vorwurfsvoll mit der Zunge schnalzend fügte sie hinzu: „Das Mädchen isst nicht genug.“
„Es geht mir gut“, protestierte Olivia und versuchte, sich aufzusetzen. Will drückte sie wieder zu Boden und befahl: „Einen Augenblick noch.“
„Das Weihnachtsessen muss aufgetragen werden“, widersprach sie.
„Wieso hast du nicht gegessen?“
„Nicht gegessen?“, unterbrach ihn eine
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