HISTORICAL WEIHNACHTEN Band 02
aus dem Wald auf den Händen den Saal in seiner ganzen Länge durchquerte. Auch Will musste lächeln – über Olivia, nicht über den Holzfäller. Es war wunderbar, sie so entzückt zu sehen.
Olivia fing seinen Blick auf, als sie sich gerade die Finger ableckte, nachdem sie ein halbes Dutzend Feigen verputzt hatte. Sie lächelte wie ein ertapptes Kind, das beim Honignaschen erwischt worden war. „Ich liebe Feigen“, erklärte sie.
„Dann greif zu“, befahl er und konnte den Blick nicht abwenden, als sie sich die Finger ableckte. Es wirkte sehr sinnlich auf ihn. Er verdrängte seine abschweifenden Gedanken und fügte mit heiserer Stimme hinzu: „Es gibt genug davon.“
„Ich habe wirklich genug“, erklärte Olivia. Sie klang aber nicht ganz überzeugend, eher so, als ob sie noch etwas essen könnte.
Er reichte ihr den Kelch. „Dann trinke noch etwas von dem warmen Würzbier.“
„Normalerweise trinke ich kein Würzbier.“
„Dann probier es. Außerdem ist es Tradition.“
Sie nahm einen vorsichtigen Schluck und bestätigte mit gehobenen Augenbrauen den besonderen Geschmack. Zu Wills größtem Erstaunen trank sie dann alles auf einmal aus.
Ihm wurde ganz anders zumute, als sie sich mit der Zunge über die Lippen fuhr. „Es schmeckt wirklich ganz ausgezeichnet, Mylord.“
Er bot ihr mehr an. Sie nahm den Kelch und nippte zufrieden, während man zusammengerollte Zettel aus Pergament verteilte, auf denen die Zukunft geschrieben stand. Sein Pergament verkündete, er würde die Liebe finden und ihres, sie würde einen großen Schatz erhalten. Sie lachte, als er enttäuscht feststellte, dass ihrer beider Schicksal nicht zusammenpasste, und spottete: „Aber Mylord, welch größeren Schatz gibt es denn als die Liebe?“
Sie hatte nicht die Absicht, ihn zu ärgern, aber er tat es trotzdem.
Die alten Ängste packten ihn wieder. Es hatte ihn fast wahnsinnig gemacht, Alayna in den Armen eines Mannes zu sehen, dessen Freund er war. Doch die Zeit und die Entfernung hatten den Kummer erträglich gemacht. Wie würde es wohl sein, zusehen zu müssen, wenn Olivia einen Wachmann oder einen Stallburschen heiratete, hier in seiner eigenen Burg? Zu sehen, wie ihre Liebe im Laufe der Jahre wuchs, mitzuerleben, wie ihre Kinder geboren wurden und aufwuchsen?
Der Gedanke machte seiner ausgelassenen Stimmung ein Ende. Auch Olivia wurde recht still, und er fragte sich, ob ihre Gedanken wohl den gleichen Weg nahmen. Doch dann stellte er fest, dass es eher ein physischer Grund war, warum sie so still wurde. Ein leichtes Zusammenziehen ihrer Augenbrauen und die zitternde Hand, die sie sich auf den Magen legte, deuteten ihm an, dass sie sich wieder unwohl fühlte.
Mit einem Mal hatte ihre Gesichtsfarbe einen entschieden unschönen grünlichen Ton. „Ich glaube, ich habe zu viel von dem Würzbier getrunken. Ich fürchte … ich fürchte …“
Will verstand sofort. Schon war er auf den Füßen, zog Olivia hoch und hastete mit ihr zum Ausgang. In dem übervollen Raum kamen sie nur langsam vorwärts, aber er kämpfte sich durch, schnappte sich dann einen Küchenjungen und schickte ihn mit dem Befehl, sie solle sofort in den oberen Burghof kommen, auf die Suche nach Bethelda. Der Junge schoss davon. Als sie das Tor hinter sich hatten und draußen in der eisigen Nachtluft standen, kam die Bedienstete keuchend aus der Tür zu den unteren Gewölben gerannt.
„Was stimmt nicht? Was ist ihr zugestoßen?“
„Zu viel Würzbier. Sie ist nicht daran gewöhnt. Es ist viel zu schwer, besonders wenn einer nicht gut gegessen hat“, erklärte er. Olivias blasses Gesicht leuchtete bleich in der Dunkelheit. Will runzelte die Stirn. „Ich bin überzeugt, dass ihr deswegen schlecht ist.“
„Möchtest du dich nicht erleichtern, Kind?“, fragte Bethelda sie. Olivia presste die Lippen aufeinander, schüttelte den Kopf und zuckte dann zusammen.
„Ich dachte, die frische Luft würde ihr guttun“, erklärte Will.
„Sie muss das Gift in ihrem Bauch loswerden. Und so, wie sie Euch ansieht, wird sie eher die ganze Nacht lang leiden, als Euch Zeuge bei so etwas werden zu lassen.“
Will verließ Olivia nur ungern. Er tröstete sich damit, dass sie sich in guten Händen befand. „Dann kümmere du dich um sie. Sorge dafür, dass sie alles bekommt, was sie braucht. Und rufe den Apotheker.“
Bethelda musste über seine Aufgeregtheit lächeln. „Ich kümmere mich um sie. Jetzt geht schon.“
Er ging, blieb dann aber noch einmal stehen
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