HISTORICAL WEIHNACHTEN Band 02
sie ein so feines Gewebe unter ihren Händen gespürt hatte. Will schien keine Kosten gescheut zu haben. Sie wandte sich zu Bethelda um und fragte: „Wie sehe ich aus?“
Die Ältere strahlte. „Du … du siehst aus … nun, Olivia, du siehst wunderschön aus.“
Olivia errötete, freute sich aber über die Worte. „Warum tut er das, Bethelda? Will er mich mit seiner Großzügigkeit in die Falle locken?“
„Nein, Kind, nein. Hör nicht auf diese bösartige Malorie. Lord Will … nun, er hat gewiss die Gelüste eines Mannes, und es stimmt schon, dass er sich von mehr als einer der Mägde sein Bett hat wärmen lassen“, gab sie zögernd zu. Dann fügte sie rasch an: „Aber er ist kein gemeiner Kerl und will dich auch nicht überlisten. Er ist nett. Und er mag dich, Olivia. Ich würde sagen, sogar mehr als das. Aber ich bin nur eine törichte alte Frau.“ Sie kicherte ein wenig und hob dann den Zeigefinger, um als Nächstes zu erklären: „Zweifle nie an seiner Ehre, Kind. Er ist ein guter Mann und wird dich immer ehrenhaft behandeln.“
Ja, dachte Olivia, während sie an sich hinunterblickte. Das gut geschnittene Kleid brachte ihre schlanke Figur vorteilhaft zur Geltung. Er mochte sie, das war nur allzu wahr. Und sie mochte ihn.
Wie versprochen, ging sie sofort zu Wills Söller. Er wartete bereits auf sie. „Setz dich.“ Einladend deutete er auf einen der Stühle. Nachdem sie Platz genommen hatte, meinte er: „Es ist jetzt an der Zeit, dass du ehrlich zu mir bist, Olivia.“
Sie faltete die Hände im Schoß und wagte kaum zu atmen, während sie auf ihre Finger hinunterblickte.
„Ich weiß,dass du eine Edelfrau bist. Wenn es mir auch nicht gefällt, dass du mich angelogen hast, so kann ich doch verstehen, dass es einen Grund geben muss, warum du es für nötig hältst.“
Er setzte sich ihr gegenüber hin. Die Arme auf die Knie gestützt, beugte er sich vor. Olivia biss sich auf die Lippen und hielt die Lider gesenkt. „Olivia, ich will, dass du mir erzählst, was mit dir los ist. Vor wem versteckst du dich? Ich bin vertrauenswürdig – dessen kannst du sicher sein. Wenn dir mein Wort nicht genügt, dann wird mein Ruf es dir beweisen. Ich werde dich nicht im Stich lassen. Ganz sicher nicht! Ich werde dich mit meinem Leben schützen. Aber du musst mir alles erzählen. Sage mir, was dich bekümmert.“
Langsam hob sie den Blick. Seine Augen waren vom allerhellsten Grau und so voller Ernst, dass es sie schmerzte. Mit einem Mal hatte sie das törichte Bedürfnis zu weinen.
„Es ist nichts“, flüsterte sie. Und hatte doch nicht die Hoffnung, ihn zu überzeugen.
Er rückte näher, beugte den Kopf, hielt die kräftigen Hände gefaltet und rieb die Handflächen aneinander. „Hör zu. Ich werde nicht böse sein. Ich verspreche dir“, er hob den Kopf, „nein ich schwöre bei meinem Eid, ich lasse nicht zu, dass dir ein Leid geschieht.“
Töricht wie sie war, wünschte sie sich nichts sehnlicher, als ihm hier und jetzt alles zu erzählen. Ich habe ein Baby gestohlen. Es ist hier, in Eurem Schloss. Und die guten Leute, von denen Ihr glaubt, sie hielten ihren Treueschwur, den sie Euch gaben, gewähren ihm Un terschlupf. Ausgerechnet einige der Menschen, für die Ihr sorgt und die Euch dafür lieben, haben Euch aufs Schlimmste betrogen. Und das alles nur wegen mir.
Aber es war unmöglich, ihm das zu erzählen. Sie schloss die Augen und senkte den Kopf. Selbst wenn er das, was sie getan hatte, billigte – was würde mit Martha und John geschehen? Überdies, was wäre, wenn er sich gezwungen sähe, Stephen an Clement Cavenere zurückzugeben?
„Olivia.“ Er streckte die Hand aus und griff nach ihrem Kinn. Seine Berührung war wie ein Zauber und rief bei Olivia einen Schauer hervor. War es Angst oder Verlangen, was dieses Feuer nährte?
Sie spürte, wie ihr Vorsatz unter seiner Berührung ins Wanken geriet.
Lord Will drehte ihr Gesicht zu sich und murmelte: „Wenn du zu lange darüber nachdenkst, wird dir eine Unmenge von Gründen einfallen, warum du es mir nicht sagen darfst. Also, Liebes, überlege nicht lange.“
Überlege nicht lange. Es war ein verführerischer Vorschlag. Ihr war schon ganz dumm im Kopf von diesem Gedankenkarussell, von all den Argumenten, die dafür oder dagegen sprachen, ihm ihr Herz zu öffnen. Wie sehr wünschte sie sich, das alles loszuwerden, ihm einfach alles zu sagen. Aber wenn sie das Denken aufgab, war da dieses unkontrollierte Verlangen, das dicht unter der
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