HISTORICAL WEIHNACHTEN Band 02
Euch geradeheraus, Sir Ian: Ihr verschwendet Euren Charme an mich. Sucht anderswo, denn ich bin nicht in der Stimmung zu heiraten.“
Er nahm sein Messer fort und traf fast Nase auf Nase mit ihr zusammen. „Ich werde Euch jetzt nicht erneut fragen“, meinte er grinsend. „Aber vielleicht springt diese Katze ja immer noch von Schoß zu Schoß auf der Suche nach einer, die freundlich ist.“
Falls sie Gray durch ihre Worte gekränkt hatte, so überspielte er es außergewöhnlich gut. Für den Rest des Mahls widmete er ihr seine Aufmerksamkeit wie ein erfahrener Höfling. Was ihm an feinen Manieren fehlte, welche die Höflinge üblicherweise zeigten, das machte er durch freundliche Aufmerksamkeit und eine Grazie wieder wett, die bei einem so großen Mann nur selten zu finden war.
Juliana stellte bald fest, dass sie nichts gegen eine Unterhaltung mit ihm einzuwenden hatte, nachdem er seine Versuche aufgab, sie zu umwerben. Trotzdem – und das war seltsam genug – enttäuschte sie sein Mangel an Beharrlichkeit dann doch irgendwie.
Sobald sie die Birnen in Weinsoße gegessen hatten, kletterte Kit auf die Bank und machte es sich auf Grays Schoß bequem. Anscheinend fühlt er sich sehr wohl dabei, dachte Juliana. Etwas regte sich in ihrem Herzen, als sie sah, dass die beiden sich mit einem offenen, liebevollen Lächeln ansahen.
„Also, heiratest du jetzt Tante Jules?“, fragte Kit, während sie mit den Bändern seines Hemdes spielte.
„Sie sagt, sie will mich nicht. Aber ich glaube, sie macht nur Spaß“, erwiderte er und zwinkerte Juliana über den Kopf des Kindes hinweg verschmitzt zu.
Das Mädchen kicherte und zwickte ihn in den Nacken. „Und bist du jetzt Hals über Kopf gefallen, wie Vater sagte? Habe ich es verpasst?“
„Ja, das fürchte ich, meine Süße. Du bist zu spät hinter mir durch die Tür geschlichen, nachdem ich angekommen war. Es ging ganz schnell und hat sogar mich überrascht.“
Sprachlos fuhr Juliana herum und starrte ihn an. Als sie merkte, dass ihr vor Überraschung der Mund offen stand, machte sie ihn rasch wieder zu. Hatte er sich wirklich vom ersten Augenblick an in sie verliebt? In eine völlig Fremde? Oder war er jetzt derjenige, der Spaß machte? Da war dieses Zwinkern. Doch dann trafen sich ihre Blicke, und sie sah die Sehnsucht in seinen dunklen Augen. Sehnsucht und Verlangen. Auch sein zögerndes Lächeln sprach davon. Juliana erkannte sofort seine Gefühle, noch bevor sie sie selbst empfand. Nicht für Ian Gray im Besonderen, wie sie sich schnell versicherte. Es war einfach die Sehnsucht nach jemandem, den sie lieben konnte.
Was das betraf, so empfand Ian Gray wahrscheinlich genau wie sie. Jede Frau hätte seine Bedürfnisse stillen können, und sie war eben die Einzige, die für ihn erreichbar war. Oder er glaubte es. Schließlich kannten sie einander kaum. Aber er schien all seine Hoffnungen auf sie zu richten. Falls das so war, musste sie seine Vorstellungen korrigieren.
Juliana wandte den Blick von ihm ab und betrachtete ihre Hände, die gefaltet in ihrem Schoß lagen. Ihre Knöchel waren weiß und die Handflächen feucht. Wenn er in ihrer Nähe war, war ihr leicht ums Herz. Und doch auch unbehaglich, als wäre da etwas, das sie tun – oder sagen, oder sein – sollte. Und doch wusste sie nicht wie. Es war ein verwirrendes Gefühl, das sie willkommen hieß und dem sie im gleichen Augenblick entfliehen wollte. Gray wirbelte ihre Gefühle auf eine Weise durcheinander, wie es bisher noch kein Mann getan hatte und die für Juliana auch keinen Sinn ergab.
Gewiss hatte noch niemand zuvor ihr gegenüber so offen sein Interesse für sie gezeigt. Dieses prickelnde Gefühl war eine berauschende Erfahrung für ein Mädchen ihres Alters.
Auch wenn es sie noch so lockte, die wahre Stärke seiner Anziehungskraft auf sie zu prüfen, so wusste sie doch, dass sie es niemals wagen würde. Sir Ian wollte eindeutig eine Gattin und war auf Brautschau. Es wäre grausam, ihn zu ermutigen, wo sie doch gar nichts zu bieten hatte. Sie musste ihn von seiner Absicht abbringen und ihn von ihrer Untauglichkeit überzeugen.
Juliana sah, wie er einen Kuss auf das lockige Haar des Kindes drückte und es von seinem Schoß hob. „Zeit für das Bett, Kleines.“
„Erzählst du mir noch ein Märchen, Onkel Ian?“, fragte Kit höflich.
„Heute Abend nicht, Süße. Du wirst eines für mich erfinden, wenn du die Augen schließt. Bis morgen früh ist es fertig, eh?“
„Das mache ich! Eines
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