Historical Weihnachtsband Band 4
zumindest kam es Tobias so vor.
Auch er hob sein Glas zum Toast und empfand auch selbst alles andere als Gelassenheit. „Auf Ihr Wohl.“
Sie nahmen in zwei Sesseln neben dem Kamin Platz. Wie auch alles andere in der Buchhandlung wiesen die hübschen Kissen mit der Gobelinstickerei deutliche Abnutzungserscheinungen auf. Doch Tobias fand es eher gemütlich als schäbig. Hier in ihrem lauschigen kleinen Salon – seinem Salon, müsste man wohl jetzt sagen –
könnte er fast glauben, dass er nur einen kleinen Höflichkeitsbesuch abstattete. Fast.
Miss MacPherson war offenbar eine wahre Whiskykennerin. Sie wärmte das Glas zwischen den Handflächen, schwenkte die Flüssigkeit geschickt und hob sie dann an die Nase. Das Aroma gefiel ihr offensichtlich, denn ihre Züge entspannten sich, und sie verzog den sinnlichen Mund zu einem kleinen Lächeln – dem verzückten Lächeln einer zutiefst befriedigten Frau. Tobias sah ihr fasziniert zu und fragte sich insgeheim, ob sie nach dem Liebesspiel wohl dieselbe Miene aufsetzen würde. Sofort rief er sich zur Ordnung. Solche lasziven Gedanken konnte er sich nicht erlauben, nicht, wenn der Aristoteles fast schon in Reichweite war.
Um sich abzulenken, folgte er ihrem Beispiel und schwenkte den Whisky im Glas, bevor er ihn an die Nase hielt. Er fand den Duft etwas beißend, zwang sich aber zu einem Lächeln. „In der Tat, Miss MacPherson, ich bin schon sehr gespannt.“
Sie hielt sich das Glas an die Lippen – die vollen Lippen – und nippte leicht daran.
Schließlich fuhr sie sich mit der Zunge über die Unterlippe, und Tobias spürte eine völlig unangebrachte, unter den Umständen eher unangenehme Hitze in sich aufsteigen.
„Kein Wunder, dass die Schotten ihren Whisky ein Lebenselixier nennen, nicht wahr, Mr Templeton?“
„Gewiss.“ Er nahm einen herzhaften Schluck und senkte sein Glas. Sofort war ihm, als hätte jemand Feuer in seiner Kehle entzündet. Tränen schossen ihm in die Augen, was Miss MacPherson, wie er hoffte, nicht weiter auffallen würde. „Ich weiß Ihre Gastfreundschaft natürlich sehr zu schätzen. Aber da wir nun schon einmal zu dieser unchristlichen Zeit wach sind, schlage ich vor, dass wir die noch offenstehende Angelegenheit zwischen uns regeln. Dann kann ich wieder meiner Wege gehen.“
Sie hob die Brauen. „Ich kann mir nicht vorstellen, welche Angelegenheit das sein sollte.“
Tobias spannte sich unwillkürlich an. „Es wird Ihnen nicht helfen, die Ahnungslose zu spielen. Sie haben meine zahlreichen Briefe erhalten, einschließlich des Briefs von meinem Anwalt – allerdings keinen einzigen davon beantwortet. Selbstverständlich ist Ihnen bewusst, dass ich die Buchhandlung mitsamt Inventar von Ihrem Vater erstanden habe. Und das zu einem mehr als angemessenen Preis.“
Fiona straffte die Schultern und hob leicht das Kinn an. „Mein Vater hat mich nicht um meine Meinung gebeten. Hätte er es getan, hätte ich ihm gesagt, dass ich den Verkauf nicht wünsche. Zu keinem Preis.“
Ihre finstere Miene zeigte Tobias deutlich, dass der gesellschaftliche Teil seines Besuchs leider endgültig vorüber war. Jetzt wurde es ernst, die Würfel waren gefallen. Unter anderen Umständen hätte er ihr törichtes, wenn auch beherztes Temperament vielleicht sogar bewundert. Ach, wem machte er etwas vor? Er bewunderte sie wirklich. Aber so gern er auch länger gemütlich bei ihr gesessen und seinen Whisky getrunken hätte – der übrigens mit jedem Schluck besser zu schmecken begann – und den bezaubernden Anblick genossen hätte, den sie in ihrem Hausmantel bot, er konnte sich diesen Luxus leider nicht leisten.
Sein Blick verweilte einen Moment auf ihren in Pantoffeln steckenden Füßen. Ein zierlicher Zeh lugte aus einem schlecht geflickten Loch im linken Pantoffel. „Ob Sie es wünschten oder nicht, ist nicht von Bedeutung. Ihr Vater wünschte es sich für Sie.
Unser Abkommen wird Ihnen ermöglichen zu leben, wo immer Sie wollen, zu verreisen, wohin Sie wollen.“ Plötzlich wurde ihm erneut seltsam heiß, und er zupfte leicht an seiner Krawatte.
Miss MacPherson schauderte sichtlich. Wie ein Kind, fand Tobias, dem man einen Löffel übel schmeckender Medizin aufzwingen will. „Aber ich will nirgendwohin. Hier ist mein Zuhause. Ich möchte, dass alles bleibt, wie es ist.“
Gemeinhin traute Tobias sich zu, seine Mitmenschen durchschauen zu können, Fiona MacPherson jedoch verblüffte ihn. Aufgrund seines gesundheitlichen Zustands blieben
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