Historical Weihnachtsband Band 4
zurückbringen. Es ist bald Mitternacht.“
„Was geschieht denn um Mitternacht?“, fragte Fiona, obwohl sie nicht sicher war, dass sie es wirklich wissen wollte.
Fern öffnete den Mund, überlegte es sich dann aber anders. „Von jetzt an, meine Liebe, hängt alles vollständig von dir ab.“
3. KAPITEL
Fiona wurde von lautem Klopfen geweckt. Zunächst noch ganz verwirrt, befreite sie sich von der Decke, in der ihre Beine sich verheddert hatten, setzte sich auf und zog die Bettvorhänge zurück. Das Fenster war, soweit sie sehen konnte, fest verschlossen. Sie tastete in der Dunkelheit nach der Lampe und drehte sie auf. Der Traum von ihrem Engel der zukünftigen Weihnacht war ihr so echt erschienen, dass sie schon halb erwartete, Fern neben ihrem Bett schweben zu sehen.
Aber natürlich war niemand da. Bis auf Grey, der am Fußende ihres Bettes lag, war sie ganz allein. Fiona zwang ihr wild klopfendes Herz zur Ruhe. Immerhin war sie eine gebildete Frau. Engel, ebenso wie Geister und Feen, gab es nicht. Schuld an ihrem dummen Traum war nur dieses verflixte Märchen von Dickens. Wen wunderte es da, dass sie Weihnachten verabscheute? Alles an diesen Feiertagen schien darauf angelegt, ihr die Ruhe zu stehlen.
Erneutes Klopfen aus dem Erdgeschoss riss sie aus ihren Gedanken und zeigte ihr, dass es sich bei ihrem späten Besucher um kein Gespenst, sondern um einen Menschen aus Fleisch und Blut handelte. Sie stand auf. Barfuß ging sie zum Fenster und schaute hinaus. Menschliche Fußspuren im Schnee führten bis zu ihrer Buchhandlung. Der Besucher, wer immer er oder sie sein mochte, musste vor ihrer Tür stehen. Ihr erster Gedanke waren ihre beiden Freundinnen. Voller Sorge, einer von ihnen könnte etwas geschehen sein, schlüpfte Fiona in ihren Morgenmantel und eilte in den Gang hinaus.
Tobias stand vor der Buchhandlung. Eisiger Wind wehte wahre Schneelawinen von der Dachtraufe herunter. Mit leichter Hand, doch dann immer heftiger, betätigte Tobias den Türklopfer. Nachdem er wohl ein Dutzend Mal geklopft hatte, sah er sich in der verlassenen Straße um und machte sich klar, dass es später sein musste, als ihm bewusst war. Wenn er dem Läuten der Kirchenglocke glauben durfte, das gerade eben ertönte, war es tatsächlich schon Mitternacht. Doch nun war er schon mal so weit gekommen. Und außerdem zeigte ihm das Licht, das in einem der oberen Fenster zu sehen war, dass irgendjemand – zweifellos die unangenehme Miss MacPherson – nicht nur daheim war, sondern auch wach.
Das Knirschen eines Schlüssels im Schloss ließ Tobias herumwirbeln. Mit angehaltenem Atem sah er zu, wie der Türknauf gedreht und die Tür geöffnet wurde.
Eine hochgewachsene, elfenartige Schönheit stand auf der Schwelle. Ihr von Locken umgebenes, vollkommenes ovales Gesicht war blass und mit Sommersprossen übersät, ihre vollen Lippen fand er sinnlich. Aber vor allem ihre Augen ließen ihn erstarren und machten es ihm schwer, den nächsten Atemzug zu tun. Eines war grün, das andere blau. Und sie sah ihn so entsetzt an, als wäre er derjenige, der sie in ihren Träumen heimsuchte und nicht umgekehrt. Ob sie allerdings ein Gespenst war oder nicht, musste sich noch herausstellen. Tobias wusste nur eins mit völliger Gewissheit – er war eben gerade seinem Schicksal begegnet. Bevor er diese erstaunliche Erkenntnis richtig begreifen konnte, öffnete die Frau den Mund und schrie.
Zum ersten Mal in seinem Leben nahm Tobias sich nicht die Zeit zu überlegen. Zum ersten Mal folgte er seiner inneren Eingebung und handelte einfach. Er packte die schöne Erscheinung bei den schmalen Schultern, zog sie an sich und brachte sie mit einem Kuss zum Schweigen.
Plötzlich wurde Fiona an eine harte Männerbrust gepresst. Sie spürte die Lippen des Fremden weich, zärtlich und doch fest auf ihren und kam sich vor wie Schnee, der unversehens den Strahlen der heißen Sonne ausgesetzt wird – ohne die Möglichkeit, etwas anderes zu tun als dahinzuschmelzen.
Dieser Mann ist deine einzige wahre Liebe, und er wartet schon seit einiger Zeit auf dich – seit fünf Jahren . Das hatte Fern, ihr Schutzengel, im Traum zu ihr gesagt.
Noch ein Traum, dachte Fiona, dieses Mal ein wundervoller. Sie schmiegte sich an ihren Traummann, überzeugt davon, dass es sich auch bei dieser Begegnung um reine Einbildung handeln musste. Doch welch herrliche Einbildung und so unfassbar lebendig! Starke Männerarme umschlangen sie fest und gleichzeitig sanft, so wie sie es sich
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