Historical Weihnachtsband Band 4
bedeutete für ihn etwas sehr Erstrebenswertes, da der Sonnenschein ihm immer verboten worden war. Doch Miss MacPhersons Anblick tat seinen Augen ganz und gar nicht weh. Im Gegenteil.
Ihr sommersprossiges Gesicht, die strahlenden blau-grünen Augen und die rote Haarpracht waren für ihn vielmehr eine wahre Augenweide. Unter anderen Umständen wäre er vielleicht versucht gewesen, sie ständig einfach nur anzustarren.
Aber er war aus einem bestimmten Grund hier.
Entschlossen holte er tief Luft. „Mir ist bewusst, dass diese Buchhandlung ihr Daheim ist und viele schöne Erinnerungen für Sie bergen muss. Ich habe gewiss nicht den Wunsch, Sie daraus zu vertreiben, wie Sie es ausdrücken. Noch verlangt es mich danach, das Geschäft zu besitzen. Als ich vielmehr mit Ihrem Vater – auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin – abmachte, die Buchhandlung zu kaufen, dachte ich schon daran, sie an jemanden zu vermieten oder sie ganz abreißen zu lassen, damit etwas Moderneres gebaut werden könnte.“
Daraufhin schnappte sie erschrocken nach Luft. „Das Geschäft mag Ihnen ja als nichts Besonderes erscheinen, Sir, aber in einer Hinsicht irren Sie nicht. Es ist das einzige Zuhause, das ich je kennengelernt habe, und das einzige, das ich je haben möchte. Mein Vater eröffnete die Buchhandlung, da war er fast noch ein Junge. Er brachte meine Mutter als seine Braut hierher. Ich wurde hier geboren!“
Tobias war kurz davor, erneut die Geduld zu verlieren. Hatte er sich gerade eben nicht die größte Mühe gegeben, ihr zu versichern, dass er die verdammte Buchhandlung nicht haben wollte? Wenn alle Frauen so eigensinnig waren wie Miss MacPherson, war es vielleicht ganz gut für ihn, dass er Junggeselle bleiben musste.
„Ich bin mehr als bereit, Ihnen die Buchhandlung zurückzugeben, sobald ich dafür den Aristoteles erhalte.“ In sanfterem Ton fügte er hinzu: „Es bleibt Ihnen im Grunde keine andere Wahl, meine Liebe.“
Sie biss sich auf die Unterlippe, und ihre kleine Geste der Hilflosigkeit erinnerte Tobias daran, wie sehr er es genossen hatte, sie zu küssen. „Ich werde darüber nachdenken“, sagte sie schließlich.
Tobias schüttelte den Kopf, der wieder zu schmerzen begonnen hatte, nur diesmal nicht wegen zu viel Whisky. „Ich lasse Ihnen noch diesen Tag Zeit, mit Ihrem Schmollen aufzuhören ...“
„Schmollen!“
„... und mir mein Buch zu übergeben. Also rate ich Ihnen, es nicht zu übertreiben. Ich gedenke, gleich nach Sonnenuntergang nach Hungerford zurückzukehren. Mit dem Aristoteles im Gepäck. Seien Sie gewarnt.“
Das Mittagsessen, ein kalter Imbiss, bestand aus verschiedenen Käsesorten, Rauchfleisch und altbackenem Brot, das Fiona aus ihren Vorräten in der Speisekammer zusammengetragen hatte. Weder sie noch ihr ungebetener Hausgast hatten auch nur ein Wort miteinander gewechselt, seit sie sich zu Tisch gesetzt hatten. Leider musste Fiona feststellten, dass es nicht so einfach war, Mr Templeton nicht zu beachten, oder zumindest vorzugeben, es zu tun. Wenn sie verstohlen zu ihm hinsah, fuhr sie sich unwillkürlich mit der Zunge über die Lippen, wie Grey Ghost es tat, wenn er ein besonders leckeres Vögelchen durch das Fenster erblickte. Jetzt, da sie sich an sein seltsames Aussehen gewöhnt hatte, fand sie keinen anderen Ausdruck für ihn als „überirdisch schön“. Mit seinem silberblonden Haar und den faszinierenden Augen kam er ihr vor wie ein Engel.
Dazu kam noch, dass sie ihren gestrigen verrückten Traum einfach nicht vergessen konnte. Er hatte sich unglaublich echt angefühlt, und sie hatte Mr Templeton darin sehr klar sehen können. Sollte sie ihrem Engel der zukünftigen Weihnacht Glauben schenken, war Tobias immerhin ihre wahre Liebe, ihr Seelenverwandter. Tatsächlich hatte sie ihn bei ihrer ersten Begegnung auf der Schwelle erkannt – und nicht nur erkannt, sondern ihm auch noch gestattet, sie zu küssen. Auf eine viel zu intime, leidenschaftliche Weise, wie sich nur zwei Menschen küssten, die sich aus tiefster Seele liebten. Wie es aussah, lief sie in Gefahr, ihren Verstand zu verlieren oder ihre guten Sitten, oder vielleicht beides. Und doch störte sie beides nicht halb so sehr wie das düstere Traumbild ihrer selbst, verbittert und einsam in der fast verfallenen Buchhandlung. Zwar hatte Fern versichert, es sei nur eine mögliche Zukunft, doch Fiona war den ganzen Rest der langen, schlaflosen Nacht von der tragischen Vorstellung verfolgt worden.
Ihr gegenüber am Tisch
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