Historical Weihnachtsband Band 4
– nein, sie war ohne jeden Zweifel die aufreizendste –, aber sie war auch die aufregendste, klügste und schönste von allen. Er wunderte sich, dass er sie je für ein Geistermädchen, ein Phantom hatte halten können. Mit ihren schimmernden kupferfarbenen Locken, den schönen blaugrünen Augen und der leicht golden schimernden Haut strahlte sie Wärme, Energie und Sonnenschein aus. Und doch tat Fionas Licht seinen Augen nicht weh. Viel eher zogen ihr Glanz und ihre Lebenskraft ihn unwiderstehlich an.
Je länger er in ihrer Gegenwart verbrachte, desto größer wurde seine Überzeugung, dass ihre kühle Fassade nichts weiter war als genau das – eine Fassade, die sie errichtet hatte, um nicht wieder verletzt zu werden. Er selbst versteckte sich seit drei Jahrzehnten vor dem Leben und konnte sie sehr gut verstehen. Wie leicht es doch war, sich von allem abzukapseln, und wie schwer, sich dann aus seinem Kokon herauszuwagen.
Der Sturm war nicht der einzige Grund seines Bleibens. Tobias hatte das seltsame Bedürfnis, diese faszinierende Frau besser kennenzulernen. Er wollte, dass Fiona MacPherson ihn mochte, und zwar nicht, weil er ihr erlaubte, die Buchhandlung zu behalten, oder weil er ihr fünftausend Pfund zahlte. Er wünschte sich, sie könnte ihn um seiner selbst willen gern haben. Er wünschte es sich sogar sehr.
Zu seinem Pech verabscheute sie seine bloße Gegenwart.
Ein tiefes Geräusch, eher ein Krächzen als ein Schnurren, zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Grey Ghost hatte sich auf seine Stiefel gelegt und rollte sich gerade gemächlich auf den Rücken.
Tobias musste lachen. „Wir alle sollten ein solches Selbstvertrauen besitzen.“
Er beugte sich hinab, um den Kater am hellbraunen Bauch zu kraulen. Da entdeckte er ein zusammengerolltes Papier am Halsband des Tiers. Einen Moment lang überlegte er, ob er es nicht besser übersehen sollte, doch der Gelehrte in ihm verfügte über eine nicht zu unterdrückende, in diesem Fall sogar recht brennende Neugier. Im Gegensatz zu seiner Herrin schien Grey Ghost ihn wenigstens zu mögen.
Mit leiser Stimme sprach Tobias beruhigend auf den Kater ein, und es gelang ihm, die kleine Papierrolle zu entfernen, ohne sich dessen Unmut zuzuziehen.
Als er sie öffnete und zu lesen begann, erhaschte er plötzlich Fionas Duft.
Lieber Mr Templeton, ich hoffe, Sie werden mir verzeihen, dass ich Sie nach dem Essen so hastig verlassen habe. Bitte erlauben Sie mir, es wieder gutzumachen, indem ich Sie bitte, um sieben Uhr das Dinner mit mir einzunehmen . FM
Tobias las Miss MacPhersons – Fionas – Zeilen ungläubig ein zweites Mal. Sie hatte nicht viel geschrieben, und dennoch war er fassungslos. Eine Einladung zum Essen war das Letzte, was er von ihr erwartet hatte. Aber immerhin war heute Heiligabend.
Wer weiß, vielleicht begannen die himmlischen Mächte doch endlich, seine Gebete zu erhören. Er machte sich auf den Weg zu Miss MacPhersons Arbeitszimmer, um nach Papier und Feder zu suchen und ihr eine Antwort zu schicken.
Fiona war auf ihrem Zimmer und brachte nicht den Mut auf, es zu verlassen.
Stattdessen stand sie am Fenster und beobachtete die rieselnden Schneeflocken. Es war, als hätten die himmlischen Mächte ein riesiges Federkissen über der Stadt platzen lassen. Doch schließlich würde auch dieser Sturm zu einem Ende kommen, die Straßen würden wieder frei sein und Tobias – Mr Templeton – würde sich auf den Weg machen. Bedrückt gestand sie sich ein, dass sie in den letzten paar Stunden aus einem völlig anderen, ganz und gar egoistischen Grund am Aristoteles festhielt.
Denn sobald sie Tobias das Buch geben würde, würde er abreisen.
Seit dem ersten Telegramm, in dem man sie davon unterrichtet hatte, dass die Buchhandlung von ihm erstanden worden war, war Tobias Templeton in ihrer Vorstellung eine Art Ungeheuer gewesen, das die Verzweiflung eines auf der Schwelle des Todes stehenden Mannes ausgenutzt hatte. Doch die Umstände der vergangenen nicht einmal vierundzwanzig Stunden zwangen sie, ihre ursprüngliche Meinung zu ändern. Tobias war klug und geistreich, gelehrt und freundlich, ein Mann, den jede Frau stolz wäre, ihren Geliebten nennen zu können. Nein, nicht nur ihren Geliebten, sondern ihren Seelenverwandten.
Sie kannten sich seit nicht einmal einem Tag, dennoch waren ihr seine hellen Augen und markanten Gesichtszüge bereits so vertraut. Sie brauchte ihn nur anzusehen, und schon spürte sie, wie ihr Hinken nachließ und ihre Ängste
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