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Hitlers Berlin

Hitlers Berlin

Titel: Hitlers Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Felix Kellerhoff
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einzuführen die Güte hätten.« 15
    Einen verlässlichen Bericht über diese erste Rede Adolf Hitlers in Berlin gibt es nicht. Die einzige erhaltene Zusammenfassung entstand erst
    1936 und bemühte sich erkennbar, den zum Reichskanzler aufgestiegenen Redner als Propheten später eingetretener Ereignisse wie der französischen Besetzung des Rheinlandes oder der Hyperinflation darzustellen. Anzunehmen ist jedoch, dass Hitler auch hier die aus seinen öffentlichen Reden in Bayern wohlbekannten Versatzstücke verwendete, die er wahrscheinlich wie üblich geschickt den Erwartungen seiner Zuhörer anpasste. So dürfte er die »zersetzende Wirksamkeit« von »Judentum, Freimaurern und politischem Katholizismus« gegeißelt und vor einem »weiteren Anwachsen der bolschewistischen Gefahr« gewarnt haben. Seine Rede unterschlug gewiss den antikapitalistischen Affekt der NSDAP, ihr tiefes wirtschaftspolitisches Unverständnis, das sich im Dogma von der »Brechung der Zinsknechtschaft« ausdrückte, und ihre Forderung nach Vergesellschaftungen im Parteiprogramm.
    Laut NSDAP-Geschichtsschreibung machte der Vortrag auf die Hörer, darunter der ab 1933 amtierende Chef der Reichskanzlei, Hans-Heinrich Lammers, und der Begründer der Deutschvölkischen Freiheitspartei (DVFP), Albrecht von Graefe, einen »sehr starken Eindruck«. Auf jeden Fall wurde Hitler zu einer Wiederholung eine Woche später, am 5.Juni 1922, eingeladen.

    Neue, dauerhafte Gönner gewann Hitler durch seine beiden Auftritte im Nationalen Klub zwar nicht; trotzdem war ihm dieser erste Ausflug auf die Berliner gesellschaftliche Bühne wichtig genug, um anderthalb Jahrzehnte später, am 29.Mai 1937, zu einem Jubiläumstreffen in den neuen Räumen des Nationalen Klubs zu kommen. Der Völ kische Beobachter berichtete unter der Schlagzeile »Vor 15 Jahren sprach der Führer zum ersten Mal in Berlin: Adolf Hitler im Kreise seiner Kampfgefährten« von diesem Treffen in dem in der Bedeutungslosigkeit versunkenen Verein: »Zu einem Kameradschaftsabend fanden sich am Sonnabend die Mitglieder des Nationalen Klubs von 1919 in den Klubräumen in der Bellevuestraße zusammen. In Erinnerung an den 29.Mai 1922, der sich heute zum 15. Mal jährt, wurde der Abend abgehalten; an diesem Tag hatte der Führer erstmals im Kreise des Nationalen Klubs in Berlin gesprochen.« Ihre »besondere Bedeutung« habe die Jubiläumsveranstaltung durch Hitlers Anwesenheit erhalten, »der gekommen war, um im Kreise jener Männer einige Stunden zu verbringen, die ihm in schwerer Zeit zum ersten Mal die Möglichkeit gaben, in der Hauptstadt zu sprechen.« Natürlich ergriff Hitler das Wort; seiner Rede konnte allerdings nicht einmal der Völkische Beobachter etwas Berichtenswertes abgewinnen: »Der Führer sprach vom Kampf der nationalsozialistischen Bewegung um die Wiedergewinnung der Nation, dessen Erinnerung auch dieser Abend gelte, von der Wiedergewinnung der deutschen Kraft durch die nationalsozialistische Leistung der vergangenen vier Jahre und von den großen Aufgaben im Kreise der Völker, die dem nationalsozialistischen Deutschland noch bevorstehen.« 16
    Hitlers Anwesenheit am 15.Jahrestag seiner Auftritte im Nationalen Klub ist bemerkenswert, denn mit ihnen verband sich eine bittere Niederlage. Am 5. Juni 1922 war auch einer der einflussreichsten Berliner Industriellen, Ernst von Borsig, anwesend. Am 29. Mai hatte er noch seinen Privatsekretär zum Sondieren geschickt, nun kam er selbst. Nach seinem eigenen Zeugnis glaubte Borsig zunächst, in Hitler einen Mann gefunden zu haben, der »beitragen könne, durch die von ihm ins Leben gerufene Bewegung die Kluft zwischen den verschiedenen Volksschichten, insbesondere durch Wiederbelebung der nationalen Gesinnung der Arbeiterschaft, zu überbrücken«. Das Ergebnis eines Gesprächs zwischen den beiden war die Zusage des Industriellen, Gelder in unbekannter Höhe bereitzustellen, um der NSDAP zu helfen, in Berlin Fuß zu fassen. Borsig gewann zwar einen hochrangigen Vertreter des SiemensKonzerns, scheiterte ansonsten aber mit dem Versuch, bei Unternehmern nennenswerte Spenden für Hitler einzutreiben. Jedenfalls gelang der NSDAP keine Gründung in der Reichshauptstadt; das tatsächlich gespendete Geld dürfte versickert sein. Borsig selbst revidierte sein zunächst positives Urteil rasch und verweigerte von da an jegliche Unterstützung. 17
    Es sollte nicht das einzige Scheitern Hitlers bei seiner ständigen Suche nach Geldquellen bleiben.

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