Hochzeit auf Sizilianisch
er im Schilde führte, war ihr klar, dass er mit seinen Komplimenten etwas bezweckte. Doch wenn er annahm, dass sie sich davon blenden ließe, hatte er sich geschnitten.
"Machen wir uns nichts vor", hielt sie ihm entgegen. "Als Sie erfahren haben, dass Ihr Bruder seine Dienstreise wegen einer kleinen Verkäuferin verlängert hat, waren Sie in höchstem Maße alarmiert. Nichts gegen eine kleine Affäre, doch wenn es ums Heiraten geht, stellt ein Martelli gewisse Ansprüche, nicht wahr?"
Lorenzo war die Auseinandersetzung offensichtlich zu viel geworden, denn er ließ den Kopf hängen und sah ausdruckslo s auf seine Hände.
Auch Renato schien beeindruckt, denn Heather meinte erkennen zu können, dass er leicht rot wurde. Doch ebenso schnell hatte er sich wieder gefangen.
"Respekt, junge Frau", sagte er anerkennend, und sein Lächeln verriet, dass sein männlicher Jagdinstinkt geweckt worden war. "Sie verstehen es, einen Mann aus der Reserve zu locken. In einem Punkt muss ich Ihnen allerdings widersprechen.
Das mit der kleinen Verkäuferin ist natürlich dummes Zeug."
"Was willst du damit andeuten?" Lorenzo schreckte hoch und blickte verwundert in die Runde.
"Das wirst du gleich erfahren", erwiderte Renato kühl, ohne Heather aus den Augen zu lassen. "Nach allem, was ich weiß, sind Sie eine selbstbewusste und ehrgeizige Frau, die ganz unten angefangen hat und nicht eher ruhen wird, bis sie oben angelangt ist. Im Alter von sechzehn Jahren haben Sie die Schule geschmissen und als Verkäuferin gejobbt, mal hier, mal da, bis Sie vor drei Jahren die Stelle im Gossways bekommen haben. Im vergangenen Jahr haben Sie sich für das hauseigene Fortbildungsprogramm beworben, um ins Management aufsteigen zu können. Weil Sie kein Abitur haben, wurden Sie abgelehnt."
"Woher weißt du das alles?"
Dieses Mal kam Heather Renato zuvor. "Dein Bruder hat seine Beziehungen spielen lassen und Erkundigungen über mich eingezogen", erklärte sie Lorenzo.
"Ich bin schon ganz gespannt, was er noch alles herausgefunden hat."
"Zum Beispiel, dass Sie durch Ihren Ehrgeiz, vor allem aber durch Ihren Umsatz die Direktion davon überzeugt haben, dass es ein Fehler war, Sie zu übergehen", zeigte sich Renato bestens informiert. "Weshalb Sie für den nächsten Lehrgang bereits eine verbindliche Zusage haben. Kurzum: Sie wissen sehr genau, was Sie wollen. Also bitte sparen Sie sich in Zukunft das Gerede von der kleinen Verkäuferin."
2. KAPITEL
Erst nachdem der Ober das Dessert serviert hatte, erhielt Heather Gelegenheit, Renato zur Rede zu stellen, denn Lorenzo hatte einen Geschäftsfreund an der Bar entdeckt und war zu ihm gegangen.
"Warum haben Sie mir heute Nachmittag nicht gesagt, wer Sie sind?" fragte sie rundheraus, um keine Zeit zu verlieren. "Sie wussten doch ohnehin schon alles über mich."
"Eben nicht", wandte Renato ein. "Um einen anderen Menschen zu kennen, muss man ihn erleben. Wenn ich mich Ihnen vorgestellt hätte, hätten Sie sich wohl kaum so natürlich benommen."
"Warum hätte ich mich anders verhalten sollen, als ich bin?" Heather wusste beim besten Willen nicht, worauf Renato hinauswollte.
"Sie sind intelligent genug, um zu wissen, dass in Italien, erst recht in Sizilien, das Familienoberhaupt in solch wichtigen Fragen, wie es eine Eheschließung nun einmal ist, das letzte Wort hat", erklärte er ihr langatmig. "Was hätte also näher gelegen, als sich bei mir einzuschmeicheln?“
"Sie scheinen mich wirklich nicht zu kennen", erwiderte Heather und musste sich zwingen, nicht ausfallend zu werden. "Sonst wüssten Sie, wie absurd Ihre Unterstellung ist. Abgesehen davon, hat mich bislang noch niemand gefragt, ob ich überhaupt die Absicht habe, Lorenzos Frau zu werden."
"Haben Sie die Absicht?"
„Je mehr ich seine Familie kennen lerne, desto mehr zweifle ich daran."
Renato sah Heather nachdenklich an. "Mein Verhalten Ihnen gegenüber war sicherlich nicht ganz fair", gab er schließlich zu. "Ich bitte Sie allerdings zu verstehen, dass ich mir Gewissheit verschaffen musste. Schließlich ist Lorenzo kein armer Mann ..."
"Halten Sie mich etwa für eine Mitgiftjägerin?" schnitt Heather ihm empört das Wort ab.
"Ich muss gestehen, dass ich zunächst den Verdacht hatte", gab Renato unumwunden zu. "Die Entschiedenheit, mit der Sie mein Angebot zurückgewiesen haben, hat mich eines Besseren belehrt."
Bislang war Heather der Meinung gewesen, dass auf ihre Menschenkenntnis halbwegs Verlass wäre. Doch dieser Mann stellte
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