Hochzeit des Lichts (German Edition)
Empfindungsvorganges eingesetzt hat, durch die Kommentare, die man darüber macht, aus dem Zusammenhang gerissen werden und ihrem Autor jedes Mal vorgehalten werden kann, wenn er von anderem sprechen will. Durch das Wort wird er festgelegt. »Haben Sie dieses Kind gezeugt?« – »Ja.« – »So ist es Ihr Sohn?« – »Das ist nicht so einfach, das ist nicht so einfach!« So hat sich Nerval in einer hässlichen Nacht zweimal umgebracht, einmal für sich, weil er im Elend war, und dann für seine Legende, die einigen zu leben hilft. Niemand kann über das wahre Elend schreiben noch über bestimmte Glückseligkeiten, und auch ich werde es nicht versuchen. Doch die Legende kann man beschreiben und wenigstens für eine Minute daran glauben, dass man sie verscheucht hat.
Ein Schriftsteller schreibt zum großen Teil, damit man ihn liest (bewundern wir jene, die das Gegenteil behaupten, aber glauben wir ihnen nicht). Doch mehr und mehr schreibt er bei uns, um jene letzte Weihe zu erreichen, die darin besteht, nicht gelesen zu werden. Von dem Augenblick an nämlich, wo er den Stoff für einen pittoresken Artikel in unserer Presse mit großer Auflage liefern kann, hat er alle Aussichten, von einer großen Anzahl von Leuten gekannt zu werden, die ihn nie mehr lesen, weil sie sich damit begnügen werden, seinen Namen zu kennen und über ihn zu lesen. Er wird in Zukunft bekannt (und vergessen) sein, nicht, wie er ist, sondern nach dem Bild, das ein eiliger Pressejournalist von ihm entworfen hat. Um sich einen literarischen Namen zu machen, ist es daher nicht unumgänglich notwendig, Bücher zu schreiben. Es genügt, wenn man als Autor eines Buches bekannt ist, über das die Boulevardpresse geschrieben hat.
Sicher wird man sich diesen großen oder kleinen Namen widerrechtlich angeeignet haben. Aber was soll man dagegen tun? Glauben wir lieber, dass diese Unannehmlichkeit wohltätige Folgen haben kann. Die Ärzte wissen, dass bestimmte Krankheiten wünschenswert sind: Sie kompensieren auf ihre Art eine funktionelle Störung, die sich sonst durch größere Beschwerden manifestieren würde. So gibt es glückliche Verstopfungen und von der Vorsehung gesandte Arthritis. Die Flut von Worten und hastigen Urteilen, die heutzutage jegliche publizistische Tätigkeit in einem Meer von Leichtsinn ertränkt, lehrt den französischen Schriftsteller wenigstens eine Bescheidenheit, die er dauernd brauchen kann in dieser Nation, die auf der andern Seite seinem Beruf eine unverhältnismäßige Wichtigkeit beimisst. Seinen Namen in zwei oder drei bekannten Zeitungen zu lesen, ist eine so harte Prüfung, dass sie notwendigerweise einige Vorteile für die Seele mit sich bringen muss. Gelobt sei deshalb die Gesellschaft, die mit wenig Kosten uns täglich gerade durch ihre Verehrung belehrt, wie wenig die Größe bedeutet, die sie preist. Je lärmender dieses Lob ist, umso schneller stirbt es. Es erinnert an jene Wergfeuer, die Alexander VI . oft vor sich entzünden ließ, als Mahnung, dass jeglicher Ruhm dieser Erde nur Rauch sei, der vergeht.
Doch lassen wir die Ironie. Es genüge in unserem Fall festzuhalten, dass sich ein Künstler mit guter Laune damit abfinden soll, wenn ein Bild von ihm, das seiner nicht würdig ist, in den Vorzimmern der Zahnärzte und Coiffeure herumliegt. So kannte ich einen Schriftsteller, der sehr in Mode war und von dem es hieß, er veranstalte Nacht für Nacht berauschende Bacchanale, wo die Nymphen einzig mit ihrem Haar bekleidet seien und die Faune Fingernägel mit Trauerrand trügen. Man hätte sich mit Recht fragen können, wo er die Zeit hernehme, um sein beträchtliches Werk zu verfassen, das immerhin einige Reihen im Büchergestell einnimmt. Dieser Schriftsteller jedoch schläft in Wirklichkeit jede Nacht wie viele seiner Berufskollegen, um täglich etliche Stunden an seinem Schreibtisch zu arbeiten, und trinkt Mineralwasser, um seine Leber zu schonen. Das hindert den mittelmäßigen Franzosen nicht, dessen fragwürdige Nüchternheit und schattenhafte Sauberkeit bekannt sind, sich bei der Vorstellung zu entrüsten, dass einer unserer Schriftsteller lehren könnte, man müsse sich berauschen und solle sich nicht waschen. Es fehlt nicht an Beispielen. Ich kann persönlich ein ausgezeichnetes Rezept liefern, wie man mit wenig Aufwand ein erhabenes Ansehen gewinnen kann. Ich schleppe tatsächlich die Last eines Rufes von Strenge mit mir, was meine Freunde sehr erheitert (während ich eher darüber erröte, da ich
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