Hochzeit zu verschenken
Top (schwarzes Polohemd, wahrscheinlich von Marks & Spencer), ihre Hose (Earl Jeans, ziemlich cool, muss ich sagen) und ihre Stiefel (hohe Absätze, geschnürt, Russell & Bromley).
Das ist etwas, das ich schon immer gemacht habe: die Labels von den Klamotten anderer Leute im Geiste aufzusagen. Ich dachte immer, ich sei die Einzige, die so etwas tut. Aber dann bin ich nach New York gezogen - und da macht das jeder. Wirklich, im Ernst. Jeder. Wenn man irgendjemandem zum allerersten Mal begegnet - ganz gleich, ob einer reichen Society-Lady oder einem Pförtner -, bedenkt einen dieses Gegenüber stets mit einem ganz schnellen, höchstens drei Sekunden dauernden Blick, der einen von Kopf bis Fuß abschätzt. Man kann förmlich sehen, wie der andere blitzschnell und auf den Dollar genau überschlägt, wie viel das Outfit, das man anhat, insgesamt gekostet hat. Und zwar noch bevor er einen überhaupt begrüßt. Ich nenne diesen prüfenden Blick die Manhattan-Mini-Musterung.
»Und wie ist New York?«
»Klasse! Total aufregend... Ich bin superglücklich mit meinem Job ... Wirklich toll, da zu wohnen!«
»Ich war noch nie in New York«, sagt Tom mit einem Hauch von Sehnsucht in der Stimme. »Ich wollte ja eigentlich gern, dass wir unsere Flitterwochen dort verbringen.«
»Jetzt fang bitte nicht schon wieder davon an, Tom«, fährt Lucy dazwischen. »Okay?«
»Vielleicht könnte ich dich ja mal besuchen«, schlägt Tom vor. »Nur so ein Wochenende oder so.«
»Äh... ja! Klar! Vielleicht. Ihr könntet ja beide kommen ...« Ich breche ab, als Lucy genervt die Augen verdreht und in Richtung Haus davontrampelt. »Na ja, war jedenfalls nett, dich mal wieder zu sehen. Freut mich, dass eure Ehe so... äh... so lebendig ist.«
Ich renne zurück in die Küche - das muss ich unbedingt Mum erzählen! -, aber da ist niemand mehr.
»Hey, Mum!«, rufe ich. »Ich habe eben Tom und Lucy getroffen!«
Ich springe die Treppe hinauf. Mum steht auf halber Höhe auf der Bodenleiter und zerrt an einem großen, weißen, weichen und in Plastik verpackten Bündel.
»Was ist das?«, frage ich und helfe ihr gleichzeitig dabei, das Monstrum herunterzubekommen.
»Sag jetzt nichts.« Mum kann ihre Aufregung kaum verbergen. »Du sollst einfach nur...« Ihre Hände zittern, als sie den Reißverschluss des Plastiküberzugs aufzieht. »Du sollst einfach nur... gucken!«
»Das ist ja dein Hochzeitskleid!«, stelle ich überrascht fest, als die weißen Spitzenrüschen zum Vorschein kommen. »Das wusste ich ja gar nicht, dass du das immer noch hast!«
»Aber natürlich habe ich das immer noch!« Sie fegt ein paar Lagen Seidenpapier mit der Hand zur Seite. »Ist dreißig Jahre alt, aber immer noch so gut wie neu. Also Becky, das ist ja nur so eine Idee von mir...«
»Was für eine Idee?«, frage ich, während wir die Schleppe befreien.
»Vielleicht passt es dir ja noch nicht mal...«
Ganz langsam sehe ich zu ihr auf. Oh, mein Gott. Das. meint sie ernst.
»Da bin ich mir allerdings ziemlich sicher, dass es mir nicht passt«, sage ich so unbeteiligt wie möglich. »Du warst damals doch bestimmt viel dünner als ich! Und... kleiner.«
»Wieso, wir sind doch gleich groß!«, stellt Mum verwirrt fest. »Ach, bitte, Becky, probier es an!«
Fünf Minuten später starre ich mich in dem Spiegel in Mums Schlafzimmer an. Ich sehe aus wie ein Würstchen im mehrlagigen Spitzenschlafrock. Die Ärmel und der Ausschnitt sind gerafft, das Oberteil aus Spitze liegt eng an und reicht mir bis über die Hüften, wo sich nach einem Übergang aus Rüschen die gestufte Schleppe fächerförmig ausbreitet.
Ich habe noch nie etwas getragen, das mir weniger gestanden hätte.
»Oh, Becky!« Ich blicke auf- und sehe zu meinem schieren Entsetzen, wie Mum die Tränen kommen. »Ach, Gott, bin ich albern!«, sagt sie, lacht und wischt sich über die Augen. »Es ist nur... mein Mädchen, meine kleine Becky in dem Kleid, das ich damals anhatte...«
»Ach, Mum...« Ich nehme sie ganz spontan in den Arm. »Es ist... es ist wirklich ein wunderschönes Kleid...«
Und wie sage ich jetzt »Aber ich werde es nicht anziehen«?
»Und es passt dir wie angegossen«, schluckt Mum und sucht nach einem Taschentuch. »Aber es ist deine Entscheidung.« Sie putzt sich die Nase. »Wenn du meinst, dass es dir nicht steht... dann musst du es nur sagen. Macht mir nichts aus.«
»Ich... also...«
Oh, Gott.
»Ich überleg‘s mir«, sage ich schließlich und lächele Mum lahm an.
Wir packen das
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