Hochzeit zu verschenken
Liebes, wir müssen aber doch Wendy fragen!«, widerspricht Mum mir überrascht. »Sie wäre am Boden zerstört, wenn wir sie nicht fragen würden. Wusstest du, dass ihr Mann einen Schlaganfall gehabt hat? Die Zuckerrosen sind das, was sie am Leben erhält.«
»Ach so.« Betreten lege ich die Zeitschrift wieder hin. »Das wusste ich nicht. Na... okay. Wird bestimmt hübsch.«
»Wir waren mit Toms und Lucys Hochzeitstorte sehr zufrieden«, seufzt Janice. »Das oberste Stockwerk haben wir für die erste Taufe aufgehoben. Die beiden sind übrigens zurzeit bei uns. Kommen bestimmt später mal vorbei, um zu gratulieren. Kaum zu glauben, dass die beiden schon anderthalb Jahre verheiratet sind!«
»Was, so lange schon?« Mum trinkt einen Schluck Kaffee und lächelt knapp.
Toms und Lucys Hochzeit ist in unserer Familie immer noch ein etwas wunder Punkt. Ich meine, wir lieben Janice und Martin wirklich über alles, und darum sagen wir nichts, aber offen gestanden steht niemand von uns so besonders auf Lucy.
»Gibt es denn irgendwelche Anzeichen von...« Mum macht eine etwas vage, euphemistische Geste. »Familienzuwachs«, fügt sie flüsternd hinzu.
»Noch nicht.« Janices Lächeln bröckelt einen Moment lang. »Martin und ich glauben, dass die beiden erst einmal einander genießen wollen. Sie sind ja so ein glückliches junges Paar. Sind völlig verrückt nacheinander! Na, und dann hat Lucy natürlich ihren Beruf-«
»Ja, sicher«, sagt Mum ernst. »Obwohl es ja auch nichts nützt, zu lange zu warten...«
»Ja, ich weiß«, stimmt Janice ihr zu. Dann sehen sie mich beide an - und auf einmal geht mir auf, worauf sie hinauswollen.
Herrgott noch mal, ich bin gerade mal einen Tag verlobt! Jetzt macht mal halblang!
Ich flüchte mich mit meiner Kaffeetasse in den Garten und schlendere eine Weile herum. Der Schnee hat angefangen zu schmelzen, so dass man jetzt auf dem Rasen die ersten grünen Flecken und Teile der Rosenstöcke sehen kann. Während ich über den Kiesweg flaniere, muss ich daran denken, wie schön es eigentlich ist, mal wieder in einem englischen Garten zu sein, selbst wenn es ein bisschen kalt ist. In Manhattan gibt es solche Gärten nicht. Da gibt es bloß den Central Park, und hin und wieder stößt man mal auf einen kleinen, mit Blumen verschönerten Platz. Aber richtige englische Gärten gibt es da nicht - so mit Rasenflächen und Bäumen und Blumenbeeten.
Ich bin an der Rosenlaube angelangt, drehe mich um und betrachte unser Haus. Ich versuche mir vorzustellen, wie sich das Festzelt auf dem Rasen machen wird, als ich aus dem Nachbargarten etwas höre, das wie ein Gespräch klingt. Ich gehe davon aus, dass das Martin ist, und will gerade den Kopfüber den Zaun recken und »Hallo!« rufen, als eine eindeutig als weiblich und jung zu identifizierende Stimme über den Schnee peitscht:
»Was verstehst du unter frigide! Denn wenn du mich fragst -«
Oh, Gott. Das ist Lucy. Und sie klingt fuchsteufelswild. Als Antwort höre ich ein tiefes Murmeln, das nur von Tom stammen kann.
»Ach, und darum meinst du, dass du unangefochtener Experte auf dem Gebiet bist, oder was?«
Murmelmurmel.
»Ach, ich bitte dich!«
Ich pirsche mich heimlich an den Zaun heran und wünschte inständig, Toms Repliken hören zu können.
»Ja, kann schon sein. Wenn wir mal ein bisschen mehr unternehmen würden. Wenn du vielleicht einfach mal tatsächlich etwas auf die Beine stellen würdest. Wenn wir nicht in diesem gottverdammten Alltagstrott gefangen wären...«
Mannomann, Lucys Stimme klingt ja richtig tyrannisch. Und jetzt erhebt Tom zur Verteidigung die Stimme.
»Wir waren in... aber du hast ja an allem herumgemosert... habe mir wirklich Mühe gegeben...«
Knack!
Mist. Mist. Ich bin auf einen Zweig getreten.
Einen Augenblick lang will ich wegrennen. Aber es ist zu spät, ihre Köpfe erscheinen bereits über dem Gartenzaun. Tom ist hochrot und wirkt besorgt, während Lucy offenkundig kocht vor Wut.
»Ach, hallo!«, sage ich und bemühe mich, ganz entspannt aufzutreten. »Wie geht‘s euch denn? Ich mache nur gerade ... äh... einen kleinen Spaziergang... und da habe ich mein... Taschentuch verloren.«
»Dein Taschentuch?« Lucy sieht misstrauisch zu Boden. »Ich sehe kein Taschentuch.«
»Tja... ahm... Und... Was macht das Eheleben?«
»Läuft prima«, antwortet Lucy knapp. »Herzlichen Glückwunsch übrigens.«
»Danke.«
Es folgt betretenes Schweigen, währenddessen ich Lucys Outfit von oben bis unten taxiere: ihr
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