Hochzeit zu verschenken
Hochzeitskleid wieder in die Hülle, essen zum Mittagessen ein paar Sandwiches und setzen uns vor den neuen Fernseher mit Kabelanschluss. Es läuft eine alte Folge von Tapetenwechsel. Danach gehe ich, obwohl es eigentlich noch etwas früh ist, hoch und mache mich langsam fertig für das Treffen mit Elinor. Lukes Mutter ist eine von diesen Manhattan-Frauen, die immer absolut und restlos perfekt aussehen - und heute möchte ich ihr mehr denn je in puncto Gepflegtheit in nichts nachstehen.
Ich ziehe das DKNY-Kostüm an, das ich mir selbst zu Weihnachten geschenkt habe, nagelneue Strumpfhosen und meine neuen Schuhe aus dem Prada-Sample-Sale. Dann betrachte ich mich extrem aufmerksam im Spiegel, um auszuschließen, irgendwo einen winzigen Fleck oder eine Knitterfalte zu haben. Dieses Mal will ich mich nicht blamieren. Nicht einen einzigen einsamen Faden oder eine leicht zerknitterte Stelle sollen ihre Röntgen-Knopfaugen ausfindig machen können.
Ich habe gerade so gut wie beschlossen, dass ich passabel aussehe, als Mum in mein Zimmer gewirbelt kommt. Sie trägt ein hübsches violettes Windsmoor-Kostüm und hat ganz rote Wangen vor Aufregung.
»Wie sehe ich aus?«, erkundigt sie sich mit einem kurzen Lachen. »Schick genug fürs Claridges?«
»Du siehst toll aus, Mum! Die Farbe steht dir richtig gut. Aber darf ich mal eben...«
Ich schnappe mir ein Kosmetiktuch, feuchte es unter dem Wasserhahn an und wische ihr über die Wangen. Sie hat offenbar versucht, Janices Schminkkünste zu kopieren und sieht aus wie ein erröteter Dachs.
»So. Perfekt.«
»Danke, mein Schatz!« Mum beäugt sich schnell in dem Spiegel an meinem Kleiderschrank. »Hach, ich freue mich richtig. Das wird bestimmt richtig nett, endlich Lukes Mutter kennen zu lernen.«
»Hmmm«, mache ich möglichst unbeteiligt.
»Ich bin mir sicher, dass wir richtig gute Freunde werden! Wenn wir erst mal ständig beieinander hocken, um die Hochzeit vorzubereiten... Weißt du, Margot von gegenüber hat sich so gut mit der Mutter ihres Schwiegersohnes angefreundet, dass sie sogar zusammen in den Urlaub fahren. Sie sagt, sie hat nicht ihre Tochter verloren, sondern eine neue Freundin gewonnen!«
Mum klingt wirklich total aufgeregt. Oh, Gott. Ich muss sie auf die grausame Wahrheit vorbereiten. Nur wie?
»Und nach allem, was Luke so von ihr erzählt hat, muss Elinor wirklich eine ganz reizende Frau sein. Luke muss sie von ganzem Herzen lieben!«
»Allerdings«, brumme ich. »Unglaublich.«
»Heute Morgen hat er uns von der vielen Wohltätigkeitsarbeit erzählt, die sie leistet. Elinor muss ja ein Herz aus Gold haben!«
Während Mum weiterplappert, blende ich sie langsam aus und denke zurück an ein Gespräch, das ich mit Lukes Stiefmutter Annabel geführt habe, als sie und Lukes Vater uns mal besuchten.
Ich bin vollkommen begeistert von Annabel. Sie ist ganz anders als Elinor, viel sanfter und ruhiger. Sie hat ein wunderbares Lächeln, das ihr gesamtes Gesicht erstrahlen lässt. Sie und Lukes Vater wohnen in einer ziemlich verschlafenen Ecke von Devon ganz nahe am Wasser, und ich wünschte wirklich, wir könnten mehr Zeit mit ihnen verbringen. Aber Luke ist mit achtzehn zu Hause ausgezogen und besucht seine Eltern nur selten. Ich glaube ja, dass Luke der Ansicht ist, sein Vater habe sein Leben vergeudet, indem er sich als Provinzanwalt niedergelassen hat, statt die Welt zu erobern.
Als die beiden nach New York kamen, verbrachten Annabel und ich einen Nachmittag ganz unter uns. Wir sind im Central Park spazieren gegangen und haben uns über alle möglichen Sachen unterhalten, es schien kein Thema zu geben, das wir nicht miteinander besprechen konnten. Also atmete ich irgendwann endlich tief durch und fragte sie etwas, was ich schon immer wissen wollte - nämlich wie sie das verkraftet, dass Luke sich von Elinor so restlos blenden lässt. Ich meine, Elinor ist zwar seine leibliche Mutter, aber Annabel ist diejenige, die sein ganzes Leben für ihn gesorgt hat und immer für ihn da war. Sie hat sich um ihn gekümmert, wenn er krank war, sie hat ihm bei den Hausaufgaben geholfen und ihm jeden Abend Essen gemacht. Und jetzt lässt er sie einfach links liegen.
Einen kurzen Augenblick lang konnte ich in Annabels Blick Schmerz erkennen. Aber dann kriegte sie so etwas wie ein Lächeln hin und sagte, dass sie Luke gut verstehen könne. Luke habe nämlich seit seiner frühesten Kindheit nichts anderes im Sinn gehabt, als seine richtige Mutter kennen zu lernen, und darum
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