Höhenrausch (German Edition)
oder?»
«Ich denke, er will vorher noch die ‹Tagesschau› sehen. Das macht mir Sorgen. Habe gestern extra auch mal wieder Nachrichten geguckt.»
«Und?»
«Jens Riwa ist noch dicker geworden. Ein Wunder, dass bei dem zwischen Kinn und Brust noch eine Krawatte passt.»
«Wenn sich dein Herr Berger über Politik unterhalten wollte, hätte er sich bestimmt nicht mit dir verabredet.»
«Was meinst du: Soll ich meinen Mann vom Meer zur Begrüßung auf den Mund küssen?»
«Bloß nicht! Das wirkt, als seist du leicht zu haben.»
«Hallo, Silke, aufwachen. Ich habe bereits in der ersten Nacht mit ihm geschlafen. Ich war doch schon längst leicht zu haben.»
«Aber du solltest ihn unbedingt noch etwas im Ungewissen lassen, ob du auch eine Fortsetzung wünschst. Der Mann kann doch nicht wissen, ob dir die Nacht mit ihm gefallen hat. Und so wie du ihn schilderst, kann ihm etwas Unsicherheit nicht schaden. Also sei zurückhaltend und abwartend. Außerdem ist er verheiratet. Du solltest zumindest so tun, als würde das moralische Bedenken bei dir auslösen. Das kommt sympathischer rüber.»
«Sonst noch was?»
«Frag ihn beim Abschied auf keinen Fall, wann ihr euch wieder seht. Setz ihn nicht unter Druck. Noch nicht. Sei unkompliziert, fröhlich und unverbindlich oder tu zumindest so. Deine große Chance ist, das Gegenteil von dem zu sein, was er zu Hause hat.»
«Woher soll ich denn wissen, was er von zu Hause her kennt?»
«Das kann unmöglich dein Ernst sein. Schau dich an, wie du im letzten Jahr deiner Beziehung warst: Genau das hat er zu Hause rumsitzen.»
«Moment mal. Willst du damit sagen, ich hätte Draco in die Arme der anderen getrieben und sei quasi selbst schuld, dass er mich betrogen hat?»
«Nein, aber die andere hat ihm das Versprechen gemacht, unkompliziert und fröhlich zu sein und auch in fünf Jahren noch mindestens einmal am Tag Lust auf Sex zu haben. Und dein bescheuerter Draco hat ihr das geglaubt. Und genau dieses Versprechen wirst du deinem Herrn Berger auch geben. Aber der Mensch kann eben nicht beides haben …»
«… ja, ich weiß: Versprechen und halten.»
«WOVOR, VERDAMMT, SOLL DIE MODERNE FRAU GERETTET WERDEN?»
Nicht jedes kluge Buch ist auch ein gutes Buch. Nicht jeder Song von Coldplay ist automatisch eine Offenbarung. Und nicht jedes Gucci-Kleid macht dich zum Model. Das scheinen jedoch einige Menschen noch nicht verinnerlicht zu haben.
«Linda, nun schauen Sie sich mal dieses ekelhafte Winkfleisch an!»
Die Stimme von Renate Küppers-Gökmen klingt selbst gedämpft noch wie ein sehr alter Diesel-Benz, der gerade nach langer Ruhephase zur Überraschung aller wieder angesprungen ist.
Ich fühle mich in zweifacher Hinsicht verunsichert. Ich muss mich bei der Gucci-Eröffnung an meine wackeligen Schuhe gewöhnen und an die Logo-Dichte um mich herum. Um auch Laien wie mich zu informieren, haben sich Designer ja darauf verlegt, ihre Namen nicht mehr dezent zu verstecken. Keine Gürtelschnalle, die nicht direkt auf ihren Designer schließen ließe.
Auch eigenwillig, dass hier alle statt «Eröffnung» oder «Einweihung» von einem «Opening» reden. Das aussagekräftige Wort «Scheiße» ist ja ebenfalls aus der Mode gekommen. Es heißt jetzt «Shit» oder «Fuck» oder auch «Son of a bitch» – für die Fortgeschrittenen, die ganz besonders viele Agentenfilme in der Originalfassung gesehen haben. Ist schon schlimm, wie sehr Hollywood unser Leben beeinflusst. Meines übrigens auch.
Ich habe mir extra ein aufklappbares Handy gekauft, nachdem ich die Thrillerserie «24» im Original auf DVD gesehen hatte. Es sieht halt irre lässig aus, wenn Jack Bauer im Kugelhagel sein Telefon aufklappt und ruft: «Mister President, this is Agent Bauer, we do have a situation here!»
Ich würde so wahnsinnig gerne einmal in meinem Leben sagen: «We do have a situation here!» Aber ich sage leider auch brav am Telefon: «Alles klar», statt wie Jack Bauer: «Copy that!» Silke und ich schwärmen von Männern, die sich im Gebrauch von Schusswaffen auskennen, den einen oder anderen Staatsfeind ausgeschaltet haben und in Gefahrensituationen Sachen brüllen wie «Stay right behind me!» oder «I’ll get you out of here!».
Irgendwie macht das doch viel mehr her, als wenn einer sagt: «Erlauben Sie, dass ich die Rechnung übernehme?» Oder: «Darf ich Ihnen meinen Schirm anbieten?»
Wir schämen uns dann auch immer ganz doll für unsere steinzeitlichen Gelüste nach einem starken Mann
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