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Höhenrausch (German Edition)

Höhenrausch (German Edition)

Titel: Höhenrausch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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und für unsere Sehnsucht, beschützt zu werden.
    Aber wozu braucht unsereins schon Schutz? Wovor, verdammt, soll die moderne Frau gerettet werden? Die größten Heldentaten, die meine Männer so begangen haben, waren, ihrer Mutter zu sagen, dass man nichts Selbstgestricktes mehr geschenkt haben möchte, in das Kabel der neuen Stehleuchte einen Dimmer einzubauen und mir zu beichten, dass es eine andere gibt.
    Ich muss zugeben, dass ich mich manches Mal extra unbeholfen anstelle, um einem Mann das Gefühl zu geben, ich könne ihn für irgendwas brauchen. Ist schon irre, dass emanzipierte Frauen mittlerweile der Beziehungshygiene zuliebe so tun müssen, als seien sie gar nicht so emanzipiert.
    Meine Cousine hat ihrem Mann bis heute nicht gesagt, dass sie inzwischen mehr verdient als er. Draco glaubt, dass ich große Angst vor Bohrmaschinen habe und nichts hochheben kann, was mehr als zweieinhalb Kilo wiegt. Und Markus ist tatsächlich bis heute der Meinung, seine Frau habe ganz dolle Angst im Dunkeln. Dabei hatte Silke beim ersten gemeinsamen nächtlichen Spaziergang nur ihm zuliebe schreckhaft getan. «Sonst», sagt sie, «hätte sich der Trottel doch nie getraut, den Arm um mich zu legen.»
     
    Neben mir ertönt wieder die Diesel-Stimme von Renate Küppers-Gökmen.
    «Altern ist ja keine Sünde, aber da vergeht einem wirklich der Appetit! Schon Coco Chanel meinte, dass nichts das Alter grausamer verrät als nackte Oberarme.»
    Jetzt sehe ich auch, was Erdals Mutter so aufregt und was genau sie mit «Winkfleisch» gemeint hat. Eine ältere Frau im ärmellosen Etuikleid hebt gerade ihr Glas, und die zwei bis drei Kilo herabhängende Hautfalten am Oberarm machen ihr diese Bewegung sicherlich nicht gerade leichter.
    «Linda, lassen Sie sich einen guten Rat von einer alten Frau geben: Winken Sie ab fünfunddreißig niemandem mehr zurück, wenn Sie nicht ganz sicher sein können, dass Ihre Arme bedeckt oder unbeobachtet sind.»
     
    Die Modenschau beginnt, und Siebzehnjährige, die nicht mehr wiegen als ein Magermilchjoghurt, schweben an mir vorbei mit ausdruckslosen Engelsgesichtern, auf denen die Zeit noch keine Zeit gehabt hat, Spuren zu hinterlassen. Unter normalen Umständen hätte sich jetzt so langsam meine Laune verschlechtert, denn im direkten Vergleich zu Models kommt man als normaler Mensch ja doch eher suboptimal rüber. Aber heute sind keine normalen Umstände. Heute trage ich hohe Schuhe und bin verliebt. Heute freue ich mich auf morgen. Ich bin außerordentlich versöhnt mit mir.
    Gut, auch meine Oberarme sind nicht gerade das, was man in der Sprache von Fitnesstrainern als «definiert» bezeichnet. Aber letztendlich ist das doch alles eine Frage der Definition, und außerdem: Nur ein glücklicher Oberarm ist ein schöner Oberarm.
    Und man muss auch mal sagen dürfen, dass der landläufige Model-Oberarm auch keinen besonders schönen Anblick bietet. Zwar ist er faltenfrei, jedoch auch so derartig fleisch- und muskelfrei, dass er aussieht wie ein abgenagter Knochen von der Sorte, wie man sie häufiger in Wüstenlandschaften rumliegen sieht.
    Model-Oberschenkel sind so dünn, dass ich mich frage, was eigentlich passiert, wenn eins dieser Mädchen mal eine schwere Einkaufstüte schleppen müsste. Im Grunde genommen sind Model-Oberschenkel ja nichts anderes als die Verlängerung der hohen Absätze bis zur Hüfte.
    «Mein Sohn hat angedeutet, dass der Mann, um den es bei Ihnen morgen geht, anderweitig liiert ist.»
    «Wenn Erdal etwas andeutet, heißt das, dass Sie bis ins kleinste Detail informiert sind, oder?»
    «Mein Erdi ist ja Gott sei Dank nicht besonders diskret. Davon hat man als Mutter ja viel mehr als von diesen verschlossenen, heterosexuellen Jungs, die zu Hause kein intimes Wörtchen über die Lippen kriegen. Erdi und ich telefonieren mehrmals am Tag. Im Moment ist er sehr aufgewühlt wegen der Sache mit Karsten. Sie haben es sicher schon bemerkt, dass mein Sohn ungeheuer feinstofflich veranlagt ist. Ach, ich wünsche mir so, dass sich das wieder einrenkt. Karsten scheint mir genau der Richtige für meinen Schatz zu sein.»
    «Ich habe Karsten erst einmal gesehen, aber ich glaube, Sie haben Recht.»
    «Erdi sagte mir, dass Sie es mit einem verheirateten Wochenendpendler in Führungsposition zu tun haben. Das ist doch eine schöne Sache.»
    «Finden Sie?»
    «Affären sind was Wunderbares! Ich hatte so einige in meinem Leben und möchte keine davon missen. Ich stehe auf dem Standpunkt, dass man am

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