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Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo

Titel: Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Kaul
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Gipfel in den Tropen? Ist es die Erinnerung an das, was Ernest Hemingway über den Berg und den Schnee seiner weißen Gipfelzone niedergeschrieben hat? Das kleine Buch Hemingways macht auf unserem Flug nach Afrika noch einmal die Runde bei den Kollegen.
    Doch diskutieren wir anschließend nicht über dieses Stück Literatur, sondern über eine Frage, die schon eine Bemerkung unserer Kollegen in der Heimat aufgeworfen hatte: Beeilt euch mal mit eurer Kili-Tour - vielleicht seid ihr die Letzten, die am Gipfel noch Schnee vorfinden. Denn die Debatte über den Klimawandel macht auch vor dem höchsten Berg Afrikas nicht halt; bei unseren Recherchen haben wir herausbekommen, dass die Eiskappe am Kili in den letzten 100 Jahren um fast 90 Prozent geschrumpft ist. Nur noch 2,5 Quadratkilometer Gletschereis werden uns dort also erwarten. Verantwortlich dafür - und das hat uns alle überrascht - ist wohl nicht der Treibhauseffekt, sondern die Abnahme der Niederschläge über dem tropischen Gletschergebiet des Kili. Denn fällt weniger Neuschnee, der sich als Schutzschild über die Gletscherkanten legt, hat es die Sonne leichter, das Gletschereis zu schmelzen. So werden wir bei unserem Kili-Besuch Gletschereis zwar noch erleben, doch rückt das Ende der weiße Mütze des Kili immer näher.
    Zum Mythos Kilimandscharo gehört es jedoch einfach dazu, ausgerechnet in einer Tropenregion Schnee und Eis erleben zu können. Wenn es aber Schnee und Eis dort bald nicht mehr gibt,
wer wird dann in Zukunft die weite Anreise aus aller Herren Länder noch in Kauf nehmen, um einen Gipfelanstieg zu erleben, bei dem es lediglich darum geht, die eigene Kraft und die eigene Charakterstärke zu testen? Ist Kili-Tourismus auch ohne Schnee denkbar?
    Die Gründe dafür, den legendären Berg - ob mit oder ohne Schnee - zu besteigen, sind vielfältig. Mittlerweile bieten Veranstalter aus Deutschland Manager-Trainingsseminare auf dem Kili an - hier würde der Kopf freier und man könne neue Unternehmensstrategien entwickeln, behaupten sie. Es gibt Reiseangebote für die Generation Fünfzig plus, auch Kili-Bergtouren nur für Frauen sind in Veranstalterkatalogen zu finden. Unter den Kili-Besteigern sind Männer, die ihren Lebensgefährtinnen vom Kili-Gipfel aus Heiratsanträge machen oder die mit einem in die Jahre gekommenen Skateboard auf 5895 Meter Höhe Jugenderinnerungen heraufbeschwören wollen...

Neue Lebensperspektiven
    Bis jetzt hat der höchste Berg Afrikas sie alle ausgehalten: die sportlichen Gipfelstürmer, die Selbsterfahrungsfreaks und die, die sich vom Kili die Erfüllung ihrer persönlichen Wünsche erhoffen. Etwa 25 000 Menschen sind es, die inzwischen jährlich zum Kili kommen, begleitet von einem Tross tansanischer Träger und Guides.
    Und was ich selbst einige Zeit später bei meiner eigenen Wanderung im Kili-Nationalpark erfahren werde: Dieser Platz
zwischen Regenwald und Gletschereis trägt eine bestimmte Wunderkraft in sich, auch wenn sie nicht jeder im Stress eines Gipfelsturms auf Anhieb für sich entdecken kann. Ich mache die Erfahrung, dass ich dazu erst wirklich still werden muss, dass ich mich von der Hektik meiner »Touri-Situation« lösen muss. Dann - aber auch nur dann - kann es geschehen, dass einem der Weg zum Berg neue Perspektiven für das eigene Leben schenkt. Zwei Mal habe ich das beim Zusammentreffen mit anderen Wanderern erlebt, bei ganz zufälligen Begegnungen.
    Vor einer Hütte treffe ich einen 36 Jahre alten Finanzmakler, der mit einer Gruppe von Arbeitskollegen angereist ist. Ihre Ziele lauten »Incentive« und »Challenge« auf Einladung eines deutschen Versicherungsunternehmens, das sich nach dem gemeinsamen Gipfelsturm positive Auswirkungen auf die Mitarbeiter und höhere Umsätze zu Hause erhofft. Motivation für alle und ein neues Gruppenbewusstsein soll der Aufstieg auf den Kili bringen. Doch was geschieht in der Kili-Realität?
    Hier also lehnt sich Martin mit einem Skizzenblock auf den Knien an einen Felsbrocken. Liebevoll zeichnet er Bilder von der Landschaft und den Menschen; er fängt an, mir zu erzählen, wie wichtig noch bei der Ankunft in Tansania der Berg für ihn war, die erhoffte Urkunde über den Gipfelsieg... doch dann habe er die Menschen hier kennengelernt, die Träger und Bergführer. Und von deren Leben am Berg, von ihren Träumen wisse er jetzt einiges.
    »Mehr und mehr spüre ich«, so erzählt er mit leuchtenden Augen, »dass nicht der Gipfel, das Weiterkommen jetzt noch meine Ziele

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