Hoehepunkte der Antike
sacri palatii
) Tribonian, der sich bei der Erarbeitung des
Codex
besondere Verdienste erworben hatte. Auf ihn mag vielleicht die Anregung zur Gesamtkodifikation zurückgehen. Die Kommission
setzte sich unter Tribonians Vorsitz aus dem
magister offciorum
Constantinus, den vier Professoren Dorotheus, Anatolius, Theophilus und Cratinus sowie elf Anwälten zusammen. Auch sie sollten
– ähnlich wie beim
Codex Justinianus
– aus den Juristenschriften Überflüssiges, Widersprüchliches und Veraltetes tilgen. Von ihrer Tätigkeit her bezeichnet man
die Kommissionsmitglieder als Kompilatoren (von lateinisch
compilare
= „ausbeuten“), da sie die klassischen Schriften zur Schaffung des neuen „Gesetzbuchs“ steinbruchartig ausbeuteten. Justinian
berichtet, die Kommission habe fast 2000 Bücher (im antiken Sinn) mit drei Millionen Zeilen gelesen und davon 150 000 Zeilen (also etwa ein Zwanzigstel) übernommen. Ferner sollten die Kompilatoren, wenn notwendig, Textveränderungen vornehmen
(so genannte Interpolationen), um die exzerpierten Juristenschriften dem Recht ihrer Zeit anzupassen. Die Bedeutung der Interpolationen
(mit all ihren Konsequenzen für das Verhältnis |219| vom justinianischen zum klassischen römischen Recht) dürfte von der Forschung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mangels
wirklich sicherer Kriterien weit überschätzt worden sein. Das riesenhafte Projekt, das infolge des Nika-Aufstands 532 fast
gescheitert wäre, war bereits nach drei Jahren fertig. Nach dem Vorbild hochklassischer kasuistischer Juristenschriften trägt
das am 16. Dezember 533 durch die beiden Konstitutionen
Tanta
(in lateinischer) bzw.
Dédoken
(in griechischer Sprache) publizierte und am 30. Dezember 533 in Kraft getretene Werk den Titel
Digesta
oder (in griechischer Bezeichnung)
Pandectae
.
Noch vor Vollendung der Digesten ließ Justinian unter Leitung von Tribonian durch die Rechtslehrer Theophilus und Dorotheus
die
Institutiones
, ein amtliches Lehrbuch, verfassen. Dessen Hauptquelle bilden die Institutionen des Gaius, ein um 161 entstandenes, in vier
Bücher gegliedertes Lehrbuch für Studienanfänger, welches in leicht fasslicher Weise die Grundzüge des römischen Rechts erläutert.
In ihm hat Gaius offenbar als erster eine sachlogische Systematik im Hinblick auf die Stoffanordnung geschaffen, die jeder
rationalen Rechtsordnung bis heute notwendigerweise zugrunde liegt und daher den Auf bau vieler moderner Privatrechtsgesetzbücher
beeinflusst hat: die Einteilung in
personae
(Personen oder Rechtssubjekte: diejenigen, die Träger von Rechten sein können),
res
(Sachen oder Rechtsobjekte: Gegenstände, an welchen man Rechte haben kann) und
actiones
(Klagemöglichkeiten oder – unter anderer Perspektive betrachtet – Rechtsverhältnisse). Justinians Institutionen wurden am
21. November 533 durch die
constitutio Imperatoriam
publiziert, traten am gleichen Tag wie die Digesten in Kraft und sind wie ihr Vorbild in vier Bücher, allerdings mit Titeln
(und Paragraphen) eingeteilt.
Inzwischen waren, vor allem bedingt durch die Arbeit an den Digesten, zahlreiche Reformkonstitutionen Justinians ergangen,
die kontrovers diskutierte Rechtsfragen endgültig entscheiden oder mit durch die zeitliche Entwicklung überholten Rechtsinstituten
aufräumen sollten, so dass eine Neuauf lage des
Codex
von 529 notwendig geworden war. Der von Tribonian, Dorotheus und drei Anwälten umgearbeitete
Codex Justinianus
(
Codex repetitae praelectionis
) wurde 534 publiziert. Er umfasst zwölf Bücher, die in Titel unterteilt sind, welche die einzelnen Konstitutionen in chronologischer
Folge enthalten; die älteste stammt von Hadrian (117–138).
|220| Mit dem Abschluss des
Codex
hatte sich Justinians gesetzgeberische Tätigkeit aber nicht erschöpft; vor allem zum Familien- und Erbrecht, Kirchen- und
Verwaltungsrecht ergingen neue Gesetze, zumeist in griechischer Sprache. Diese
Novellae
(
leges
) (Novellen) wurden jedoch nicht mehr amtlich gesammelt, sondern sind nur in einer Reihe privater Zusammenstellungen wie etwa
einer griechischen Sammlung von 168 Novellen, der lateinischen so genannten
Epitome Juliani
oder dem
Authenticum
überliefert.
Institutionen, Digesten und
Codex Justinianus
bilden ein einheitliches Gesetzgebungswerk, für das allerdings ein zusammenfassender antiker Name fehlt. Die heutige Bezeichnung
der justinianischen Gesetzgebung als
Corpus iuris civilis
erscheint erstmals
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