Hoehepunkte der Antike
Neuzeit hinein charakteristisch sein.
Diffziler gestaltet es sich, Konstantins Bedeutung für die Geschichte der katholischen Kirche zu bestimmen. Fest steht, dass
seine Politik die |214| Verbreitung der christlichen Religion erheblich befördert und die Existenzbedingungen für die Kirche deutlich verbessert hat.
Allerdings wird von der Forschung zuweilen bemerkt, dass es gerade dadurch zu einer ,Verweltlichung‘ der Kirche gekommen sei.
Dieser Umstand ist im Übrigen bereits von den Zeitgenossen thematisiert und beklagt worden; wichtig ist aber, dass die Problematik
nicht erst für die konstantinische Zeit beobachtet wird, sondern schon für das 3. Jahrhundert, als besonders im Osten des
Reiches ebenfalls eine erhebliche Zahl von Menschen den christlichen Gemeinden zuströmte.
Kontrovers beurteilt man die Kooperation von Staat und Kirche, die mit der Regentschaft Konstantins ihren Anfang nimmt. Teils
wird kritisiert, dass sich die Kirche durch die Beziehung zum Staat in einer Weise verändert habe, die mit der christlichen
Botschaft nicht konform gehe. Dazu gehöre auch, dass sie mit der Herausbildung der Amtskirche Organisationsformen entwickelt
habe, die sich an denen des römischen Staates orientierten und nicht auf christliche Prinzipien zurückzuführen seien. Dagegen
wird angeführt, dass diese Tendenzen schon früher zu beobachten seien: Die Annäherung des Christentums an den Staat war ein
langer Prozess, der spätestens zu Beginn des 2. Jahrhunderts einsetzte. Er wurde durch Konstantin wesentlich befördert, jedoch
nicht eingeleitet. Ob diese Entwicklung der Kirche eher zum Nutzen oder zum Schaden gereicht hat, ist nicht leicht zu beantworten
und vom Standpunkt des Betrachters abhängig.
Ob mit Konstantin eine Zäsur in der Geschichte des römischen Reiches eintritt und somit von einer ,Konstantinischen Wende‘
zu sprechen ist, ist eine sehr beliebte, aber äußerst komplexe Frage. Im Hinblick auf den Staat scheint sie eher nicht positiv
zu beantworten zu sein. Konstantins diesbezügliche Maßnahmen stehen stärker in der Kontinuität seiner Vorgänger, als dass
sie wesentliche Innovationen darstellen. Im Hinblick auf die Kirche und die Relation von Kirche und Staat sind unterschiedliche
Einschätzungen möglich: Aus kaiserlicher respektive staatlicher Sicht überwiegt das Moment der Kontinuität, denn der Staat
verhält sich der christlichen Kirche gegenüber in ähnlicher Weise wie im Umgang mit den paganen Kulten. Aus kirchlicher Perspektive
erscheint der Wandel ausgeprägter. Besonders die Stellung, die der Kaiser gegenüber der Kirche und in der Kirche erlangt,
ist grundsätzlich neu. Sie äußert sich etwa in der kaiserlichen Synodalgewalt, also dem Recht |215| des Kaisers, Bischofsversammlungen einzuberufen, zu leiten, ihre Beschlüsse in Gesetzesform zu bringen und für deren Durchsetzung
zu sorgen. Zu diesem Themenkomplex kommt es in der Folgezeit zu erheblichen Kontroversen, die die Geschichte der Kirche im
lateinischen Westen wie im griechischen Osten entscheidend prägen.
Von einer einheitlichen Einschätzung der Bedeutung Konstantins für seine Zeit wie die nachfolgende europäische Geschichte
ist man bis heute weit entfernt.
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|216| Höhepunkte der Rechtskultur: Das Corpus iuris civilis
HANS-DIETER SPENGLER
Das römische Recht (hat) eine nicht hoch genug anzuschlagende Bedeutung für ganz Europa, ja für die ganze zivilisierte Welt.
Und zwar aus einem doppelten Grunde. Einmal deswegen, weil sein Inhalt zu einem großen Teil nicht auf der Besonderheit gerade
des römischen Volksgeistes beruht, sondern nichts ist, als der Ausdruck allgemein menschlicher Auffassungen allgemein menschlicher
Verhältnisse, nur mit einer Meisterschaft entwickelt, welche keine Jurisprudenz und keine Gesetzgebungskunst seither zu erreichen
verstanden hat – daher unmittelbar verwertbar, wo zivilisierte Menschen zusammenleben. Sodann deswegen, weil, ganz abgesehen
von seinem Inhalt, das römische Recht durch seine formale Ausbildung berufen ist, Muster und Schule des juristischen Denkens
und Schaffens zu sein. Die Begriffe des römischen Rechts sind immer scharf und präzis, und doch sind sie immer elastisch,
immer bereit, sich jedem neu auftretenden Lebensbedürfnisse zu öffnen und den Anforderungen desselben in sich Raum zu geben;
das römische Recht ist immer klar, und doch nie abstrakt.
Mit diesen Worten hat Bernhard
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