Hoehepunkte der Antike
hier stellt sich eine Frage, die wir nicht vergessen sollten: Warum ging Alexander nach Gordion? Erfuhr er erst in der
Stadt von dem Gordischen Knoten oder kam er wegen des Knotens dorthin? Vier der uns erhaltenen nichtzeitgenössischen Quellenautoren
– zwei griechische und zwei lateinische – berichten von dem Ereignis. Ihre Angaben stimmen dabei nur in Folgendem überein:
Auf der Königsburg in Gordion bzw. im Tempel stehe ein Wagen, dessen Joch und Deichsel durch einen verschlungenen Knoten untrennbar
miteinander verbunden sind. Wer in der Lage sei, diesen Knoten zu lösen, der würde Herrscher über ganz Asien werden. Nun wissen
wir ja bereits, wie der draufgängerische Makedone das Rätsel löste: Er zog kurzerhand sein Schwert und hieb den Knoten durch
– was für eine überaus clevere Lösung. In der Überlieferung der beiden lateinischen Autoren Curtius Rufus und Justin ist sie
übrigens die Einzige. Eine andere Version – zusätzlich zu der Schwertlösung – findet sich bei Plutarch und bei Arrian, den
beiden ,Griechen‘: Sie geben als ihren Gewährsmann Aristobul an, einen Teilnehmer des Alexanderfeldzuges, der auch eine Geschichte
desselben geschrieben hat, die von Arrian und anderen benutzt wurde. Aristobul zufolge habe Alexander einfach nur den Pflock
herausgezogen, der Joch und Deichsel miteinander verband und um den herum der unentwirrbare Knoten geschlungen war. Auffällig
ist hier, dass nur die beiden griechischen Autoren beide Versionen anbieten, während Justin und Curtius Rufus nur die Schwertversion
überliefern. Das könnte u. a. daran liegen, dass ihnen |77| Aristobul nicht vorlag oder sie ein alexanderfeindliches Bild zeichnen wollten. Für uns ist es jedenfalls im Nachhinein nicht
zu entscheiden (und letzten Endes auch nicht relevant),
wie
Alexander den Knoten löste.
Interessant ist eher die Frage, wie viel Wahres überhaupt an der Geschichte ist. Und da müssen wir uns in die Quellen hineinwagen
und sie ganz genau betrachten. Am ausführlichsten berichten uns Justin und Arrian über die Gordion-Episode: Der erste Autor
wird ins 2. oder 3. Jahrhundert n. Chr. datiert und hat einen Auszug aus dem großen Geschichtswerk des Pompeius Trogus angefertigt,
der in der Zeit des Kaisers Augustus lebte. Justin (11,7) berichtet uns, dass Alexander nach Gordion wollte, weil er vom Joch
des Gordios gehört hatte, das im Tempel des Jupiter auf bewahrt werde. Auch gebe es dazu einen Orakelspruch, wer den Knoten
um das Joch löse, werde Herr über ganz Asien werden. Justin überliefert uns hier zusätzlich noch den Mythos um König und Wagen:
Als besagter Gordios einmal auf seinem Acker pflügte, da seien plötzlich viele Vögel um ihn herum erschienen. Dies verunsicherte
ihn und er tat das, was in der Antike wohl viele getan hätten – er machte sich auf den Weg in die nächste Stadt, um die Vogelschauer
in dieser Sache um Rat zu fragen. Er kam aber nur bis zum Stadttor, wo er einer (natürlich) wunderschönen Jungfrau begegnete,
die er ansprach. Und siehe da, das Mädchen war selber orakelkundig und erklärte, das Zeichen würde ihm die Königsherrschaft
prophezeien; darauf hin bot sie ihm die Ehe an. Zu der Zeit, als die beiden heirateten, brach unter den Phrygern Streit aus,
worauf hin sie das Orakel befragten. Dieses antwortete, nur ein König könne ihren Streit beilegen und sie sollten denjenigen
dazu machen, der ihnen als Erster auf einem Wagen zum Tempel fahrend begegnen würde. Das war nun Gordios, er nahm die Königswürde
an und weihte darauf hin im Tempel seinen Wagen. Sein Sohn Midas wurde dann von Orpheus in die geheimen Kulte eingeweiht und
führte in ganz Phrygien entsprechende Kulte und Riten ein. Alexander nun ließ sich in den Tempel führen und versuchte, den
Knoten zu lösen, doch man konnte weder Anfang noch Ende des Knotens finden; da zog er dann sein Schwert – und den Rest kennen
wir. Justin fügt abschließend hinzu, dass Alexander danach die im Knoten versteckten Enden gefunden habe.
Betrachten wir nun die Erzählung bei Arrian (2,3), einem Autor, der aus Kleinasien stammte und im 2. Jahrhundert n. Chr. über
den Alexanderzug |78| geschrieben hatte: Auch bei ihm will Alexander, gleich nachdem er die Stadt betreten hat, den berühmten Wagen des Gordios
sehen und den Knoten, der Joch und Deichsel verbindet. Und auch er erzählt uns den Mythos, der bei allen Bewohnern der Gegend
bekannt gewesen sei. Hier wird
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