Höhepunkte
gehört, die, wenn sie mit einem fremden Mann ins Bett gegangen waren, am folgenden Tag keinen Gedanken mehr an ihn verschwendeten. Bei ihr war das nie so gewesen, und sie war auch noch keiner Frau begegnet, die das konnte - hatte nur von welchen gehört. Manchmal, schlimmstenfalls, empfand sie nachträglich Ekel oder Reue; manchmal wünschte sie, der Mann würde anrufen, sie noch mal sehen wollen; oder sie träumte, verlor sich in erotischen Erinnerungen. Wie auch immer, das Erlebnis selbst, ganz gleich, ob es gut oder schlecht war, fiel nie einfach von ihr ab, als wäre es nicht geschehen, wenn der Mann die Tür hinter sich zuschlug. Männer, so nahm sie an, waren dazu in der Lage. Männer gaben zumindest vor, es zu sein, und das faszinierte sie. Sie konnte sich nicht vorstellen, nicht an jemanden zu denken, mit dem sie gerade, ganz gleich wie beiläufig, geschlafen hatte. Wenn es stimmte, daß manche es konnten, so fand sie es beneidenswert. Vielleicht war es auch nur Bluff. Vielleicht aber wollte sie es nur deshalb nicht glauben, weil es sie so viel verletzlicher machte als den Mann. Nichts war demütigender als die Vorstellung, an jemanden zu denken, von dem man genau wußte, daß er nicht an einen dachte. Sie konnte die beiden Gedanken nicht zusammenfügen. Sie wußte, sie selbst bluffte, gab vor, knallhart und unabhängig zu sein. Nahm man ihr das ab? So und nicht anders wollte sie sein. Ein Bedürfnis befriedigen, und es dann vergessen. So wie man nicht länger ans Essen denkt, sobald man es verzehrt hat War das bei Männern so? Ein heftiges Verlangen in den Hoden, das, kaum daß es gestillt ist, sie nicht länger beschäftigt? Biologie in ihren Augen ein finsteres Kapitel. Das amorphe Bedürfnis der weiblichen Sexualität: Wie viele Orgasmen waren genug? Männer ejakulieren; Frauen eskalieren. Nicht für Männer kochen wollen, war eine Sache, mehr vom selben wollen eine andere. Und mehr. Unersättliche Bestie. Verdammt durch Gier und Biologie.
Was sie brauchte, war eine völlig emotionslose (ha!) sexuelle Affäre. Fick and Fun. Sie konnte mit Freunden ins Kino gehen, sie brauchte kein Verhältnis im herkömmlichen Sinne, nur zwei gleichberechtigte Erwachsene, die zu freundschaftlichem Sex zusammenkamen (oh!). Nichts Schwerwiegendes. War das die reine Wahrheit? Ja, ja, doch es schien da ein Problem zwischen Körper und Verstand zu geben. Nicht unüberwindlich, versuchte sie sich einzureden.
Doch, Himmel, wie elend sie sich fühlte.
Zwei Wochen später rief Joshua an.
»Bist du frei heute abend?«
»Nein, tut mir leid. Doch wie wär’s, wenn du morgen abend zum Essen kämst? Gegen acht.«
Sie hatte an jenem Abend nichts vor, doch sie wollte Zeit zum Nachdenken haben.
»Okay. Dann bis morgen.«
Also. Das war nicht gerade ein schneller Return, doch es war mehr als einmal; Molly schien schlecht informiert zu sein, und sie, Rachel, hatte ihre gemeinsame Nacht richtig eingeschätzt. Sie war gut genug gewesen, um eine Fortsetzung zu garantieren. Er wollte mehr von ihr, hatte genug Spaß mit ihr gehabt, um sich einen zweiten Nachschlag - im wahrsten Sinne des Wortes - zu holen. Sie war mit sich zufrieden, obwohl es da eine kleine höhnische Stimme in ihrem Kopf gab, die ihr zuflüsterte: Sei bloß nicht so verdammt dankbar. Warum bist du immer erstaunt, wenn ein Mann dich Wiedersehen will?
Sei’s drum, auf jeden Fall morgen abend. Sie lächelte bei dem Gedanken. Abendessen. Sie sah sich vor ihrem geistigen Auge mit ihm am Wohnzimmertisch sitzen, essen - was? -, am Weinglas nippen, in freudiger Erwartung einer aufregenden Sexnacht. Es würde griechisches Lamm und frischen Obstsalat geben. Nichts Kompliziertes, und dazu eine Flasche wirklich guten Wein. Sie verbrachte den Rest des Abends damit, sich die kommende Nacht auszumalen. Sie mußte plötzlich daran denken, wie er sie geschlagen hatte, und fragte sich, was sie empfinden würde, wenn es wieder passierte. Sie wußte es selbst nicht genau: Es war, daran führte kein Weg vorbei, aggressiv. Man schlägt jemanden, wenn man wütend auf ihn ist, und sie erinnerte sich an seine Augen, als er mit ihr schlief. Falls Joshua ein Frauenfeind war, hatte er seinen Gegner gewiß eingehend studiert. Ihre Vorstellung von einem »Schlägertyp« - falls sie überhaupt je darüber nachgedacht hatte - war die vom verklemmten Ex-Public-School-Englishman, der seine Angst vor echtem Sex durch Fetische ersetzt. Der verdrängte Schwule, der seine Mami straft, eine Hure zu sein.
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