Höhepunkte
Sie war adoptiert worden? Und sie kannte Molly schon lange? Lehrerin war sie? Und was waren ihre Lieblingsbeschäftigungen?
»Tanzen, lesen und bumsen«, erwiderte Rachel mit einem höflichen, artigen Lächeln.
Molly verschluckte sich an ihrem Obstsalat, während Tom, ein mürrischer Zeitgenosse, sorgfältig seinen Löffel prüfte, um sich zu vergewissern, daß von seinem letzten Bissen auch nichts darauf zurückgeblieben war. Joshuas Grinsen verdoppelte sich, wenn das noch möglich war. Während des ganzen Abends hatte zwischen ihm und Rachel ein heimliches Einverständnis bestanden; sie sahen einander im Gespräch offen in die Augen, jeder wußte, daß der andere wußte, was gespielt wurde. Die Vorstellung war gut, totale Aufmerksamkeit mit einem Hauch von Arroganz; genug, um Rachel zu schmeicheln und sie gleichzeitig leicht zu verunsichern, als würde sie attackiert. Sie sollte von seinen dunklen stechenden Augen und seinem sonderbar bezaubernden, ungezwungenen Lächeln hypnotisiert werden. Sie sollte aus dem Gleichgewicht gebracht werden und doch spüren, daß er irgendwie wirklich an ihr, nur ihr, interessiert war.
Ein fasziniertes Kaninchen, das schmachtend darauf wartet, verzehrt zu werden.
Nur leider, dachte sie, durchschaue ich dich, Sunnyboy. Du bist ein kleines bißchen zu berechnend oder ich ein kleines bißchen zu clever.
Gegen Ende des Abends erhob er sich und bot ihr an, sie nach Hause zu fahren. Sie musterte ihn, wie er da stand in seinem Tweedanzug: Seine Kleidung war gut, nicht zu chic. Er war kräftig gebaut, plump eigentlich, aber groß genug, um nicht lächerlich zu wirken. Sie mochte kräftige - dicke - Männer; kleine, dünne ließen sie buchstäblich kalt. Er sah reif, selbstsicher aus, sein rundes, fleischiges Gesicht wirkte noch massiver durch die Falten, die sich tief um seine Mundpartie und in seine breite Stirn eingruben; sein Bart war einer von denen, die wohl einen heftigen Widerwillen gegen das Rasieren andeuten sollten, die in Wirklichkeit aber ein ständig das Gesicht veränderndes Merkmal darstellten; sein kurzes graues Haar war untermischt mit seinem ursprünglichen Schwarz. Er wirkte alles andere als sexuell verklemmt, doch man konnte nie wissen. Oft war die Selbstsicherheit nur äußerer Schein, und kaum waren die Hüllen gefallen, fiel auch das Selbstwertgefühl in sich zusammen, um wieder einmal nichts anderes als einen kleinen Jungen zutage zu fördern. Doch es könnte interessant sein, in Erfahrung zu bringen, was sich unter dieser Hülle verbarg. Sie war nicht versessen drauf, so oder so, und schlimmstenfalls, wenn Molly recht behalten sollte, stand ihr eine langweilige Nacht bevor. Sie fühlte sich von diesem Mann nicht bedroht, sondern glaubte im Gegenteil, die Situation im Griff zu haben. Und da Michael, der Carrie über Nacht bei sich hatte, ihren Wagen ausgeliehen hatte, nahm sie das Angebot an.
Sie war erleichtert, wieder in ihrem eigenen Territorium zu sein, als sie das Wohnzimmerlicht anknipste. Joshua schlenderte herum, las die Buchtitel in ihren Regalen und warf einen Blick in die Küche, die vom Wohnzimmer ausging. Es war ein hübsches, gemütliches Zimmer: ein altes Sofa, mit einem Berber bedeckt, ein Armsessel, Holzkisten, die als Stellflächen für Steine und Muscheln von diversen Stränden dienten, und Bücherregale in den verschiedenen Nischen. Überall, wo Platz und Licht es erlaubten, wucherten Grünpflanzen und Blumen, ein kleiner Ersatz für Rachels Sehnsucht nach dem Landleben. Sie knipste das Küchenlicht an, um Kaffee zu kochen; Joshua machte es gleich wieder aus.
»Ich will nichts. Leg Musik auf.«
O weh, dachte Rachel, und begann ziemlich schwarzzusehen. Schon eine einzige fade Nacht war eigentlich zuviel. Während sie eine Platte vom guten alten Frank Sinatra auflegte, stellte sie sich vor, wie sie wach neben einem schlafenden postkoitalen Mann lag und die Stunden sich dahinschleppten. Sicher würde er schnarchen, und sie läge da, würde ins Dunkel starren, wünschen, daß er fort wäre, wünschen, er wäre erst gar nicht gekommen, würde das Bett für sich allein haben wollen und wieder mal zu der Erkenntnis kommen, daß mittelmäßiger Sex nicht besser als gar keiner war.
Vielleicht, überlegte sie, schick ich ihn besser gleich nach Hause, so attraktiv ist er nun auch wieder nicht. Sie hatte nicht dieses tiefe, zwingende Verlangen in ihrem Bauch, das ihn ihr unentbehrlich machte. Doch er hielt sie jetzt in seinen Armen und bewegte sich
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