Höhepunkte
gekommen waren, zog er sich so schnell aus ihr zurück, daß Rachel nach Luft schnappen mußte. Dann lag er ruhig da, den Arm um sie geschlungen, die Augen geschlossen.
Rachel lag im Dunkel neben dem schlafenden, schwer atmenden Mann.
Nun, dachte sie, das war nicht gerade, was ich erwartet hatte. Auf jeden Fall war es, alles in allem, eine schlaflose Nacht wert gewesen. Sie dämmerte hin und wieder ein und fuhr mehrmals zuckend aus dem Schlaf. Einmal wachte Joshua davon auf und flüsterte ihr zu: »Ist gut, Liebling, ich bin’s, Joshua, hab keine Angst.«
Beide wachten früh auf, sie kurz vor ihm, und als er die Augen öffnete und sich orientierte, spürte sie, wie er sie kalt anstarrte, bis er merkte, daß auch sie wach war. Er war im Nu aus dem Bett.
»Ich muß gehen. Fahr heute mit den Kindern aufs Land. Nein, ich will keinen Tee. Danke.«
Er war in Sekunden angezogen, nickte ihr ein knappes, unverbindliches »Ciao« zu und verließ das Haus kaum fünf Minuten, nachdem er aufgewacht war.
Als Joshua gegangen war, empfand Rachel zunächst mal gar nichts. Sie war müde, und der Tag wurde ganz von Carrie in Anspruch genommen. Michael brachte sie und den Wagen zurück, und sie gingen alle drei auswärts essen. Sie begleitete Carrie zu ihrer Klavierstunde und vertrieb sich die Stunden auf halbwegs angenehme Weise, bis es Zeit war für Carries Gutenachtgeschichte. Dann ließ sich Rachel in ihrem Wohnzimmer nieder, zog die Stille in sich ein und dachte an die vergangene Nacht. Es stimmte nicht ganz, daß sie gar nichts empfand; sie fühlte sich taub, benommen von Joshuas plötzlichem Aufbruch. Sie erwartete nicht, ihn wiederzusehen, es war der eindeutigste One-night-stand, an den sie sich erinnern konnte. Es war also überflüssig und sinnlos, auch nur einen Gedanken an ihn zu verschwenden. Und trotzdem, sie wollte mehr, weil es gut gewesen war, und warum sollte nicht auch er mehr wollen? Mehr mußte ja nicht ein Mehr an Intensität bedeuten, das wollte sie sowieso nicht, es konnte einfach nur mehr bedeuten. Nach den Geschehnissen der letzten Nacht glaubte sie nicht länger, was Molly ihr erzählt hatte. Wenn er Frauen kein zweites Mal sah, dann sicher nur aus Angst vor Intimität und nicht wegen technischer Probleme. Sie stellte sich Schallwellen vor, die um den Erdball gingen und die Botschaft der Männerwelt, das unvermeidliche männliche Wehgeschrei ins All hinaustrugen: »Ich kann keine Menschen ertragen, die mich vereinnahmen wollen!« Sie stellte sich den Mann auf dem Sofa liegend vor, den Handrücken dramatisch an die Stirn gelegt. Sie stellte sich die Frau vor, hilflos lachend über die Absurdität all dessen. Wie viele Männer hatten ihr schon die eine oder andere Version davon vorgejammert, bevor sie erklären konnte, daß sie keine Intimität, keine Häuslichkeit, keine Tisch-/Bettaffäre wollte? Alle, so oder so. Und wenn sie es schließlich gesagt hatte, hatten alle ungläubig aus der Wäsche geschaut: Sie sagt es, aber sie meint es nicht wirklich; sie ist nun mal eine Frau, und sie sagen es alle mit den Augen.
Irgendwo, dachte sie, mußte es doch einen Mann geben, der sie nicht mit ihrer Mutter verwechselte. Zum Teufel mit den kleinen Jungen, wo sind die reifen Männer? Es stimmte zwar, daß die meisten Frauen ein Heim gründen und Kinder mit jemandem haben wollten; die meisten Männer wohl auch, denn sie heirateten die Frauen ja. Warum tat sie es nicht? Nun, sie hatte es natürlich getan, doch nicht mit Überzeugung. Michael und sie hatten vereinbart, so lange zusammenzuleben, bis Carrie aus dem Säuglingsalter heraus war, den Rest hatten sie offengelassen. Sie hatte sich nie vorstellen können, langfristig mit jemandem zusammenzuleben. Nicht einmal als junges Mädchen hatte sie vom Märchenprinzen und vom ewigen Glück geträumt. Die glücklose Ehe ihrer eigenen Eltern war sicher ein Grund dafür gewesen, doch auch all die anderen prägenden Faktoren, wie Märchen, Jungmädchenträume, Schlager, schienen bei ihr kaum Spuren hinterlassen zu haben. War das wirklich so? Machte sie sich da nichts vor? Man konnte nie ganz sicher sein, ob man restlos ehrlich zu sich selbst war, aber sie schien tatsächlich besser mit dem Single-Dasein zurechtzukommen als jeder andere, den sie kannte. Sie wollte Sex und Freundschaft, beides brauchte nicht zusammenzukommen.
Doch da saß sie nun nach dieser Nacht und fühlte sich miserabel. Ihr war wirklich hundeelend zumute. One-night-stands... Sie hatte von Frauen
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