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Höhepunkte

Höhepunkte

Titel: Höhepunkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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spanischer Galeonen und Schaufensterpuppen ohne Kopf, die mit Ziermünzen besetzte Kleider trugen. In einer Ecke des Schaufensters lag eine flache bunte Schachtel. »Twister!« rief Phlox. »Oh, Art, laß uns das Spiel kaufen. Stell dir nur mal vor.«
    Sie packte mich am Arm und zerrte mich in das Geschäft. Die Verkäuferin holte das Spiel für uns aus dem Fenster und zeigte uns, daß es in Ordnung war; die Drehscheibe drehte sich noch, und die Spielmatte war leidlich sauber. Beim Abendessen lag es unter dem Tisch, schräg zwischen Phlox’ Fuß und meinem, und während wir erst unsere fröhliche, belanglose Plauderei fortsetzten und ich dann über das Wochenende in dem Landhaus berichtete, reizte und piekte mich die Twister-Schachtel bei jeder Bewegung von Phlox’ unruhigem Knöchel.
    Im Wohnzimmer ihres Apartments schoben wir die Sessel und den Couchtisch beiseite und breiteten die Plastikmatte auf dem Teppich aus. Die primärfarbenen Felder und die verzerrten, schwungvollen roten Buchstaben oben und unten an der Matte, die das Wort »Twister!« ergaben, riefen eine Flut von Erinnerungen wach an Geburtstagspartys in den 60er Jahren, die an verregneten Samstagen in ausgebauten Kellerräumen stattgefunden hatten. Phlox verschwand im Schlafzimmer, weil sie »die beengende Hüllen der Zivilisation abstreifen« wollte, wie sie es ausdrückte, und ich setzte mich auf den Boden und schnürte mir die Turnschuhe auf. Eine seltsame Zufriedenheit überkam mich. Obwohl die gebrauchten Versandhausmöbel, der falsche Renoir, die Katzenfigur und der andere Kram nach wie vor irgendwie häßlich und geschmacklos wirkten, stellte ich fest, daß ich einen jener alltäglichen ästhetischen Kraftakte geleistet hatte, die darin bestehen, daß man sich ein geschlossenes System von Geschmacklosigkeiten - Las Vegas, eine Bowlingbahn oder Filme mit Jerry Lewis - einfach einverleibt und es dann schön und lustig findet.
    Mit Phlox, überlegte ich mir, hatte ich in gewisser Beziehung das gleiche getan. Alles an ihr, was eher an ein Animiermädchen oder eine Gangsterbraut denken ließ, an eine Kurtisane aus einem schlechten Roman oder eine adrice in einem französischen Kunstfilm über Entfremdung und Langeweile - ihr zu dick aufgetragenes Getue und Make-up -, alles, was von zweifelhaftem Geschmack zeugte und mich hätte verlegen machen oder zum Kichern reizen können, hatte ich anzuerkennen gelernt, ich suchte danach und ermunterte sie noch dazu. Sie löste in mir das gleiche Entzücken aus wie hochtoupierte Frisuren und Elvis-Presley-Tinnef. Als sie in einem Nylonkimono und riesigen Pantoffeln aus türkisfarbenem Pelz aus ihrem Schlafzimmer kam, wurde mir fast schwindlig vor Vergnügen, und die knallbunte Twister-Plastikmatte zu meinen Füßen schien die Matrix, das gedruckte Konzept all dessen zu sein, was ich an ihr mochte. »Wer dreht?« fragte ich. »Ist Annette zu Hause?« Annette war Phlox’ Mitbewohnerin, eine große, aufdringliche, attraktive Krankenschwester, deren komplizierten Dienstplan in all seinen Absonderlichkeiten ich nie ganz durchschauen konnte.
    »Nein. Wir werden die Drehscheibe hier neben uns stellen müssen und uns abwechseln.«
    Ich kroch auf die andere Seite des Spielfelds und ging in die Hocke, Phlox ebenso. Einen feierlichen Moment lang sahen wir uns über die Matte hinweg in die Augen. Dann setzte Phlox den schwarzen Plastikzeiger der Drehscheibe in Bewegung. »Rechte Hand blau«, verkündete sie.
    Ich beugte mich vor und legte die rechte Hand in die Mitte eines blauen Feldes. Phlox folgte meinem Beispiel, und als sie leicht nach vom kippte, gingen die Flügel ihres Kimonos auf und das Haar fiel ihr über den gesenkten Kopf. Zwischen ihrem wippenden zweifarbigen Haar hindurch spähte ich in die Schatten des Morgenrocks. Sie drehte noch einmal.
    »Rechter Fuß grün.«
    Damit kauerten wir beide halb auf der Matte und halb auf dem Boden. Die blauen und grünen Reihen lagen näher bei mir als bei ihr; ich hatte eine Art gestreckte Hocke eingenommen und die rechte Hand auf den rechten Fuß hintereinander auf die Matte gesetzt, doch Phlox mußte sich ganz herüberbeugen und den rechten Fuß in dem Pelzpantoffel vor die rechte Hand setzen. Sie hob ihr schimmerndes linkes Bein ein paar Zentimeter in die Luft, um besser an die Stelle heranzukommen, und schwankte einige Augenblicke, ehe sie auf die Seite fiel. »Verloren«, sagte ich und lachte, aber sie meinte, das zähle nicht, und schob mir die Drehscheibe zu, ehe

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