Höhlenangst
Warum auch nicht? Aber warum sollte es jemand auf dem Truppenübungsplatz finden und auf dem Grillplatz am Lippertshorn ablegen oder erneut verlieren? Ja, dass es jemand in die Höhle wirft, um Ihnen zu schaden – aus welchen Gründen auch immer –, das würde mir zur Not einleuchten. Aber so?«
Wo er Recht hatte, hatte er Recht. Doch Richard sagte wieder einmal nichts dazu.
»Das wäre doch aber an sich noch kein Grund«, gab ich statt seiner zu bedenken, »den Fundort in die Höhle zu verlegen, um Herrn Weber verhaften zu können, nicht?«
»Nun ja, das Protokoll, das der sicherlich sehr verdiente, aber in Kriminalsachen nicht sonderlich erfahrene Polizeihauptmeister Rehle angefertigt hat, war nicht sehr präzise.«
»So kommen wir nicht weiter, Herr Abele«, sagte Richard ungnädig. »Ich denke, man wird das Gespräch mit Ihnen in einem anderen, weniger privaten Rahmen fortsetzen müssen. Einem erfahrenen Kriminalkommissar wie Ihnen brauche ich ja nicht zu erklären, dass vor Ge richt ein Geständnis strafmildernd gewertet werden wür de. Ich habe mich der offenbar irrigen Hoffnung hingegeben, Sie hätten verstanden, dass dies umso mehr gilt, wenn Sie kraft eigener Einsicht zu dem Entschluss gelangen, sich den Behörden zu stellen, und wäre bereit gewesen, die Freiwilligkeit Ihres Entschlusses zu bezeugen.«
»Aber«, platzte es aus Abele heraus, »warum hätte ich diesen Haugk denn umbringen sollen? Er sollte mir doch bloß meine Uhr wiederbeschaffen.«
»Eine übrigens erstaunlich wertvolle Uhr. Andere Leute kaufen sich für das Geld einen Kleinwagen. Sehr beeindruckend auch Ihre – wie sagten Sie vorhin? – bescheidene Hütte?«
»Wir haben geerbt vor zwei Jahren. Eine Tante meiner Frau in Amerika. Wir wussten gar nichts von ihr. Es kam völlig überraschend.«
»Gratuliere nachträglich.«
Auf Abeles unausgewuchtetem Gesicht spiegelte sich, wenn auch verschwitzt, das Lächeln, das der Staatsanwalt andeutete.
»Na dann, Herr Abele«, sagte Richard und machte Anstalten sich zu erheben. Das Schlappohrteufelchen, das sich eben zwischen meinen Füßen zusammengerollt hatte, fuhr verschlafen in die Höhe. Ich nahm es vorsorglich hoch. »Dann entschuldigen Sie bitte die späte Störung. Wenn Sie mir zum Schluss noch eine ganz persönliche Frage erlauben würden.«
»Bitte, gern.« Abele lehnte sich wieder zurück.
»Nur so aus Neugierde, Herr Abele. Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen, dass ich aus dem Dunstkreis Räffles bestochen worden sein könnte?«
»Oh, Herr Dr. Weber, glauben Sie mir, die Verzweiflung …«
Richard zog die Brauen hoch.
Abele hüstelte sich zur Raison. »Ich meine, da bin ich wohl eindeutig übers Ziel hinausgeschossen, im Eifer des Gefechts gewissermaßen. Wissen Sie, wenn man eine Person besonders schätzt, und das Bild bekommt einen kleinen Knacks gewissermaßen, so ist man manchmal bereit, aus übergroßer Enttäuschung gewissermaßen, dieser scheinbar makellosen Person, die auf einmal einen kleinen Kratzer erhalten hat, einen besonders großen Vertrauensbruch anzudichten.«
Kein Schwabe war dagegen gefeit, in gewissen Momenten Sofaphilosoph zu werden, auch Richards Schatten nicht.
»Na ja«, verfiel Richard fast ins Gemütliche, »was für einen Sinn hätte das auch gehabt, dass Räffle an Staatsbeamte Bestechungsgelder zahlt?«
»Dass man nicht gegen ihn ermittelt«, schoss es aus Abele heraus, »nehme ich an.«
»Aber ich ermittle doch gar nicht.«
Abele blickte ein wenig konsterniert drein, dann lachte er aus dem Bauch heraus. »Natürlich ermitteln wir nicht offiziell, klar. Wir wollen Räffle ja nicht warnen, nicht? Aber der Polizeipräsident hat mir erst kürzlich persönlich seine Anerkennung ausgesprochen und gesagt, Sie hätten gesagt, ohne mich wäre das Verfahren gegen Räffle niemals zum Laufen gekommen.«
»Es gibt kein Verfahren, Herr Abele!«
»Verstehe!« Er lachte.
»Sagen Sie, Herr Abele, wie viel hat Räffle Ihnen denn gezahlt? Seinem gefährlichsten Gegner.« Dabei schwenkte Richard seine Augen demonstrativ über den TV-Hausaltar, die Ledersessel, den Teppich, das Parkett, die Halogenstrahler und die Schrankwand.
Abele wurde rot. »Herr Dr. Weber, was … was den ken Sie von mir? Ich bin doch nicht bestechlich.«
»Das mit der Erbschaft können Sie nachweisen, neh me ich an.«
»Wollen Sie meinen Steuerbescheid sehen? Ich habe sogar ordnungsgemäß Erbschaftssteuer bezahlt! Nicht dass es von der Seite her böse Überraschungen
Weitere Kostenlose Bücher