Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
denen wir nichts ahnen? Diese ... Kinder haben zwei unserer mächtigsten Magier besiegt!«
Chast schnaufte noch immer.
»Wenn ich mit Rasnor gehe«, sagte Quendras mit Bestimmtheit, »dann werden wir den Pakt bekommen, dafür bürge ich. Wir müssen ihn haben, auch wenn wir diese Leandra nicht erwischen sollten.«
Es war Chast anzusehen, was er von der Vorstellung hielt, dass ihm Leandra wieder durch die Lappen gehen könnte. In seinem Inneren schien ein Kampf zu toben -zwischen der Bestätigung des berechtigten Einwandes seines Magisters und der leidenschaftlichen Verneinung auch nur der entferntesten Möglichkeit, dass er Leandra abermals nicht erwischen würde. Seine Zähne knirschten leise, bevor er sprach.
»Also gut«, sagte er mit schneidender Stimme. »Geh mit Rasnor. Aber da du dein Maul schon so voll genommen hast: Wage nicht, ohne den Pakt wieder hier aufzutauchen! Das würde übel für dich ausgehen!«
Damit wirbelte er herum und marschierte mit weit ausgreifenden Schritten davon. Zurück blieb Quendras in einem der eher seltenen Augenblicke, in denen seine sprichwörtliche Unerschütterlichkeit zu einem gut Teil von ihm abgebröckelt war.
26 ♦ Dunkel über der Stadt
Als Leandra am frühen Vormittag die Quellen von Quantar verließ, spürte sie augenblicklich, dass sich Savalgor verändert hatte. Nach nur wenigen Schritten durch die Straßen bemerkte sie vernagelte Fensterläden und verschlossene Türen, Dreck und Müll, wo früher bunte Verkaufsstände aufgebaut waren, und mürrische, verdrossene Gesichter in dunklen Ecken, die früher durch das Lärmen und Herumtollen spielender Kinder aufgehellt waren. Die Leute sprachen kaum miteinander, jeder eilte nur auf schnellstem Weg von hier nach dort, ohne seine Nachbarn oder andere Personen auch nur eines Blickes zu würdigen. Und es gab Soldaten. Viele Soldaten.
Sie trugen noch immer die Uniformen der Savalgorer Stadtwache, allerdings sahen sie nicht mehr so frisch und gepflegt aus wie früher, sondern dunkel, zerschlissen und schäbig. Die bunten Schärpen der Dienstgrade waren verschwunden und durch ein schmutzig blaues Band ersetzt, das wohl irgendeine Bedeutung hatte -welche, das wusste Leandra nicht zu sagen. Die Hellebarden waren rostig, die Schwertscheiden ungeputzt und fleckig. Und auch die Gesichter der Soldaten waren anders. Sie spiegelten nicht länger den Stolz ihres Berufsstandes und jenen typischen Ausdruck - eine Mischung aus abweisender Strenge und dennoch wohlwollender Hilfsbereitschaft -, nein, Leandra sah nur noch Misstrauen, Gleichgültigkeit und Hinterhältigkeit darin. Wenn eine Stadt solche Wachtruppen hat, dachte sie, dann muss es schlecht mit ihr stehen. Instinktiv suchte sie das Zwielicht unter den Vordächern der Häuser und bemühte sich, nicht aufzufallen. Sie war allein, Hellami hatte sie nicht begleiten können.
Ihre Freundin war zum unfreiwilligen Dauerbadegast geworden. Ob sie das schätzen würde oder nicht, musste sich erst herausstellen. So angenehm es in den Quellen von Quantar auch sein mochte - es würde ihr bald nicht mehr gefallen, dort unten untätig warten zu müssen.
Als sie gemeinsam den Badebereich in Richtung der Haupthalle hatten verlassen wollten, hatte sich herausgestellt, dass dies, ohne auffallen zu wollen, nur unbekleidet möglich war. So waren die Regeln in den Quellen von Quantar. Die Ein- und Ausgänge des Badebereichs waren aus Gründen der Sittlichkeit bewacht. Man betrat, aus dem Umkleidebereich der Haupthallen kommend, die eigentlichen Quellen nur unbekleidet - bestenfalls mit einem Handtuch -, und deswegen wäre es höchst verdächtig gewesen, wenn dort jemand mit einem Rucksack und in voller Montur wieder herausgekommen wäre.
So gesehen hätte auch Leandra die Quellen nicht verlassen können. Unbekleidet aus dem Badebereich die Haupthalle zu betreten war ohne weiteres möglich, aber was hätte sie anziehen sollen, um danach in die Stadt zu gehen?
Aber dann war ihr etwas eingefallen. Ein Glücksfall, wie es ihn alle tausend Jahre nur einmal gab - wie Hellami sich ausgedrückt hätte. Leandra erinnerte sich, dass sie damals, als sie von Guldors Leuten aus den Quellen von Quantar entführt worden war, eine kleine Plakette des Faches besessen hatte, in dem ihre Kleider und ihr Gepäck hinterlegt worden waren. Damals war ihr diese Plakette entglitten, als sie im flachen Wasser liegend gedöst hatte, denn sie hatte sie aus reiner Faulheit auf ihren Bauch gelegt. Eine winzige Handlung,
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