Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens
gegangen waren, aber das größte Problem kreiste Plötzlich und unerwartet
oben am Himmel. »Das ist Meados, Tirao!«, rief er.
Der Felsdrache zuckte zusammen und breitete unwillkürlich die
Schwingen aus. Bist du sicher?
Meados?
»Ja, völlig sicher! Ich habe ihn oft genug fliegen sehen, um ihn
zu erkennen!«
Der Sonnendrache, der in großer Höhe dahinglitt, entfernte sich
von ihnen, schwebte über das Tal hinweg und wurde so klein,
dass sie Grund hatten zu glauben, er habe sie nicht gesehen.
Ullrik stöhnte gequält auf. Die Schwierigkeiten schienen kein
Ende nehmen zu wollen.
»Wie kommt dieses Scheusal hierher, Tirao?«, fragte er elend.
»Was sollen wir nun tun?«
*
»Hatte ich nicht einen Hausarrest über Euch verhängt, Heiliger
Vater?«
Ain:Ain’Qua war wie erstarrt stehen geblieben, aber seine als
Ordensritter antrainierte Kaltblütigkeit gewann schon bald wieder
die Oberhand. Mit einer gewissen Befriedigung stellte er fest,
dass sich das gar nicht so schlecht anfühlte.
Lakorta gab sich äußerst selbstsicher, ja sogar arrogant.
Er spazierte im begrenzten Raum von Giacomos Arbeitszimmer
auf und ab, betrachtete dies und das und spielte den Gelassenen.
Er schien gar nicht zu ahnen, in welcher Gefahr er sich befand.
»Ihr seid ganz schön dreist, Lakorta, Euch so aufzuspielen, als
könntet Ihr einem Pontifex befehlen«, erwiderte Ain:Ain’Qua.
Lakorta wandte sich um und bedachte ihn mit einem milden Lächeln. »Ich weiß, was Ihr denkt, Heiliger Vater. Ich habe gesehen, wie Ihr den Drakken da unten erledigt habt – ja, in der Tat,
Ihr seid ein großartiger Kämpfer. Aber glaubt nicht, dass Ihr damit bei mir Erfolg hättet.«
Ain:Ain’Qua nickte. »Ihr spielt auf Eure… Magie an?«
Lakortas Gesicht erstarrte. Es war fast unglaublich – schon wieder hatte Ain:Ain’Qua ihn überrascht.
Ain:Ain’Qua hingegen konnte nun seinerseits ein Lächeln nicht
unterdrücken. Er war doch wieder Herr der Lage. Dank Giacomos
guter Vorarbeit und dank seiner eigenen, wohltrainierten Fähigkeiten war ihm dieser Lakorta einfach nicht gewachsen. In keiner
Hinsicht. Vorsicht, mahnte ihn sein Instinkt. Eine Sache gab es
doch, und die war womöglich ausschlaggebend. In Sachen Boshaftigkeit übertraf ihn Lakorta sicherlich um Lichtjahre; das hatte
er bei der Anhörung bereits bewiesen.
»Ja, ich weiß von Eurer Magie. Wundert Euch das, Lakorta?
Habt Ihr geglaubt, Ihr hättet es mit einem Dummkopf zu tun?« Er
schüttelte mitleidig den Kopf. »Ihr unterschätzt die Fähigkeiten,
die einer mitbringen muss, um Papst zu werden. Ihr habt sie ganz
sicher nicht.« Lakorta lief wieder herum und warf Ain:Ain’Qua
verächtliche Blicke zu. »Ihr glaubt, mich interessiert dieser Posten? Nein, da habe ich Besseres vor.«
»Ja, zweifellos. Besser für Euren Geldbeutel, Eure Machtgier und
was Euch sonst antreibt. Und natürlich den Pusmoh. Der Gedanke, Ihr könntet je auf die Idee kommen, etwas für die Menschen
und die Ajhan tun zu wollen, ist wirklich absurd.«
Lakorta blieb wieder stehen und stieß verächtliches ein Auflachen aus. »Was wisst Ihr schon?«
»Wie auch immer, Ihr könnt den Posten gern haben. Er passt
viel besser zu einem Lakaien des Pusmoh, wie Ihr es seid.
Ich danke ab. Hier und jetzt. Ich habe ebenfalls etwas Besseres
vor.«
Lakorta stand da wie vom Donner gerührt.
Ain:Ain’Qua musste sich beherrschen, nicht in Frohlockungen zu
verfallen. Es war offensichtlich, dass Lakorta seine Fähigkeiten in
einem Wortgefecht überschätzt hatte. Jedenfalls gegen ihn. Dadurch offenbarte sich ein ganz spezieller Charakterzug an seinem
Gegner, wie Ain:Ain’Qua fand. Lakorta war nicht aus seinem Herzen heraus böse. Nein, er war verbittert und vom Leben enttäuscht und glaubte, eine Rechtfertigung für sein Tun finden zu
können, wenn er sich seiner Sache nur genug verschrieb, seinen
Plan nur intensiv genug verfolgte. Er schien nicht zu wissen, dass
sich in einem rechtschaffenen Herzen die böse Tat niemals rechtfertigen konnte.
Ain:Ain’Qua empfand ein gewisses Bedauern für den alten
Mann.
»Was habt Ihr da gefunden?«, forderte Lakorta und deutete auf
den RW-Transponder. »Ich habe gesehen, dass Ihr da etwas eingelegt habt. Gebt es mir.« Ain:Ain’Qua überlegte, ob Lakorta etwas von Giacomos Geheimnis ahnen konnte. Es war womöglich
wichtig, das herauszufinden. »Giacomo ist auch einer Eurer Spitzel, nicht wahr?«, versuchte er den Kardinal zu bluffen. »Ich habe
mir nur etwas geholt, das mir
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