Hoelle auf Zeit
Natur aus ein Killer, Daniel. Ohne mit der Wimper zu zucken. Einen wie ihn hab ich noch nie erlebt. Als Geheim agent in Irland hat er, wie ich mit Sicherheit weiß, achtzehn Terroristen umgebracht. IRA, INLA …«
»Seine eigenen Leute, Sir?«
»Nur weil er Katholik ist?« fragte Villiers zurück. »Machen Sie ‘nen Punkt, Daniel. Nairac war Katholik. Außerdem war er Offizier bei der Grenadiergarde, und nur das zählte für die IRA, als sie ihn ermordeten. Sean Egan jedenfalls hat sich nie parteiisch verhalten, sondern etliche führende Scharfschützen auf protestantischer Seite genauso erledigt.«
Warden blickte auf die Akte hinunter. »Ein beachtlicher Mann. Und jetzt müssen Sie ihm mitteilen, daß er mit fünfund zwanzig am Ende ist.«
»Genau. Also rufen wir ihn rein und bringen’s hinter uns.« Sean Egan betrat den Raum: Hemd, messerscharfe Bügelfalten, das beigefarbene Barett im vorschriftsmäßigen Winkel. Schul terstücke mit Sergeantrangabzeichen, am rechten Ärmel die üblichen SAS-Embleme. Über der linken Brusttasche trug er außerdem das Pilotenabzeichen vom Army Air Corps, darunter die Bänder für die Kriegsverdienstmedaille, die Tapferkeits medaille und für den militärischen Einsatz in Irland und auf den Falklandinseln. Er stand in strammer Haltung vor Warden, der hinter seinem Schreibtisch saß. Villiers blieb auf der Fen sterbank und rauchte eine Zigarette.
»Nehmen Sie Platz«, sagte Warden. Er wies auf einen Stuhl.
Egan gehorchte. Villiers erhob sich und zog eine Blech
schachtel aus der Tasche. »Zigarette gefällig?«
»Hab’s aufgegeben, Sir. Als es mich auf den Falklands er wischte, hat sich eine Kugel den linken Lungenflügel ausge sucht.«
»So hat wohl alles auch seine gute Seite«, bemerkte Villiers. »Üble Angewohnheit.«
Er machte Konversation, um die Zeit auszufüllen, und sie alle wußten das. Warden ergriff das Wort. »Colonel Villiers ist Ihr Führungsoffizier bei diesem Unternehmen«, begann er nicht gerade diplomatisch.
»Das ist mir bekannt, Sir.«
Pause. Warden hantierte unschlüssig mit den Papieren und schien nicht recht zu wissen, was er sagen sollte. Villiers mischte sich ein und fragte, zu Warden gewandt: »Hätten Sie etwas dagegen, Daniel, wenn Sergeant Egan und ich uns unter vier Augen unterhalten?«
Wardens Erleichterung war nicht zu übersehen. »Selbstver ständlich nicht, Sir.«
Sobald sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, begann Vil liers: »Es ist ganz schön lange her, Sean.«
»Ich hätte nicht gedacht, daß Sie noch beim Regiment sind, Sir.«
»Mit Unterbrechungen. Group Four nimmt viel von meiner Zeit in Anspruch. Sie haben mal in Sizilien für uns gearbeitet, wie ich mich erinnere. Unmittelbar vor dem Falklandkrieg.«
»Das stimmt, Sir. Immer noch zugehörig zu DI5?«
»Nur auf dem Papier. Das Ganze läuft allerdings nach wie vor unter dem Namen Terrorismusbekämpfung. Mein Chef ist ausschließlich dem Premierminister verantwortlich.«
»Handelt es sich immer noch um Brigadier Ferguson, Sir?«
»In der Tat. Sie sind gut informiert – wie üblich.«
»Sie haben mich oft genug darauf hingewiesen, daß Sie bei dem Geheimauftrag in Belfast und Derry nur mit dem Leben davongekommen sind, weil Sie gut informiert waren.«
Villiers lachte. »Sie sind und bleiben ein waschechter Ire, Sean, genau wie Ihr Vater, stimmt’s? Nur ein Katholik aus Ulster pflegt Londonderry als Derry zu bezeichnen.«
»Mir mißfällt die Art, wie sie Bomben einsetzen. Das heißt aber nicht, daß ich ihnen keinen eigenen Standpunkt zubillige.«
Villiers nickte. »Haben Sie Ihren Onkel in letzter Zeit mal gesehen?«
»Er hat mich vor ein paar Monaten im Maudsley Military Hospital besucht.«
»Die üblichen Schwierigkeiten?«
Egan nickte. »Er war nie ein großer Patriot. Für ihn ist die Army bloß reine Zeitverschwendung.« Es entstand abermals eine Pause, ehe er fortfuhr: »Lassen Sie uns zur Sache kom men, Sir, um’s Ihnen zu erleichtern. Ich war nicht auf Draht, stimmt’s?«
Villiers drehte sich um. »Sie haben’s ausgezeichnet gemacht. Das erste Mal, daß jemand es wirklich geschafft hat, sich aus dem Erdloch zu befreien. Sehr erfinderisch. Aber das Knie, Sean.« Er ging um den Schreibtisch herum und öffnete die Akte. »Hier steht’s schwarz auf weiß im Arztbericht. Ich finde, die haben eine Meisterleistung
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