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Hoelle aus Feuer und Eis

Hoelle aus Feuer und Eis

Titel: Hoelle aus Feuer und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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praktisch ununterbrochen auf der Flucht und in Lebensgefahr gewesen war, fühlte er sich mit einem Mal von einem tiefen inneren Frieden erfüllt, wie er ihn selten zuvor gespürt hatte. Es war der Anblick dieses Planeten, das Wissen, das den Glauben ersetzt hatte, daß es ein Leben nach dem Tode gab und eine Belohnung für alle erlittenen Mühen und Qualen. Er ging weiter, ohne dem Dutzend Spinnen, das in der Halle herumlief und Dinge tat, die er nicht verstand, mehr als einen flüchtigen Blick zu schenken, und näherte sich mit gemessenen Schritten der offenen Seite der Wand, um das letzte Stück seines Weges zur Erde hinter sich zu bringen. Er empfand ein ganz leises Bedauern bei dem Gedanken, daß er nun nicht mehr zurückkehren und den anderen die Wahrheit sagen konnte, aber plötzlich erschien ihm alles, was sie erlebt hatten und noch erleben würden, so klein und nichtig. Welchen Unterschied machte es, ob man ein paar Jahre mehr oder weniger litt, wenn danach die Ewigkeit wartete? Aber zwischen French und der Ewigkeit befand sich dann doch noch ein Hindernis. Es war unsichtbar, aber so massiv, daß er dagegenprallte und zurücktaumelte, als wäre er gegen eine Wand aus Stahl gelaufen. Bunte Sterne und Kreise tanzten vor seinen Augen, und für einen Moment drohten ihn die Sinne zu verlassen. Er wankte, verlor beinahe das Gleichgewicht und fing sich im letzten Moment wieder. Eine der Spinnen sah desinteressiert von ihrer Arbeit auf und musterte ihn einen Moment lang aus ihren kalten, glitzernden Facettenaugen, wandte sich dann aber wieder ihrer Arbeit zu, während French dastand und verzweifelt versuchte, auf den Füßen zu bleiben. Der Schmerz in seinem Kopf wurde immer schlimmer. Sein eigener Körper, der hier mindestens zehnmal soviel wog wie im Hort, schien ihn zu Boden zerren zu wollen, und er wußte, daß er nicht mehr die Kraft haben würde, wieder aufzustehen. Aber der hämmernde Schmerz zwischen seinen Schläfen bewirkte auch gleichzeitig noch etwas: Je schlimmer er wurde, desto mehr schien sich Frenchs Denken auf einer Ebene zu klären, die während der letzten Minuten einfach abgeschaltet gewesen war. Er wußte noch immer, daß es tatsächlich die Erde war, die er sah, aber er sah sie jetzt nicht mehr mit den Augen eines Gläubigen, der das Paradies erblickte, sondern mit denen eines Mannes, der begriffen hatte. Die unsichtbare Wand zwischen ihm und der Erde war natürlich nichts anderes als ein Fenster, wie es sie auch im Hort gab, dort nur sehr viel kleiner und aus einem Glas, das nicht ganz so unsichtbar war wie dieses hier. Voller plötzlichem Schrecken begriff er, daß er in den letzten Minuten nicht mehr Herr seiner Sinne gewesen war. Und mit noch größerem Schrecken begriff er in der gleichen Sekunde, daß er noch immer in Gefahr schwebte. Hastig drehte er sich herum, wobei die beiden Zusatzarme an seinem Anzug ziellose Schlenkerbewegungen ausführten, und diesmal nahmen die Spinnen Notiz von ihm. Drei oder vier ließen ihre Arbeit sinken und starrten ihn an, und eine wandte sich gar vollends zu ihm und machte einen Schritt in seine Richtung, blieb aber ebenfalls wieder stehen, als French vor Schrecken mitten in der Bewegung erstarrte und die Arme sinken ließ. Frenchs Gedanken überschlugen sich. Seine Hand schloß sich fester um den Lauf der Harpunenwaffe, aber er unterdrückte den Impuls, sie abzufeuern. Für eine einzige, aber endlos scheinende Sekunde bohrten sich die Blicke der riesigen kalten Insektenaugen in die aus Glas gefertigten Augenattrappen seines Anzugs, und obwohl er wußte, daß es nicht so sein konnte, war er für die gleiche fürchterliche Zeitspanne felsenfest davon überzeugt, daß dieses Wesen direkt durch seine Tarnung hindurchblicken konnte. Aber dann wandte es sich mit einer ruckartigen Bewegung wieder um, als hätte es plötzlich das Interesse an ihm verloren, ja, als nähme es ihn gar nicht mehr wahr, und stakste mit eckigen, aber sehr schnellen Schritten an seine Arbeit zurück. French atmete erleichtert auf. Er zitterte am ganzen Leib, und als er vorsichtig den Kopf drehte und sich umsah und sein Blick dabei den blauweiß gesprenkelten Ball der Erde hinter dem Fenster streifte, da hatte das Bild nichts mehr von einem verlockenden Paradies, sondern wirkte nur noch fremdartig und sonderbar unheimlich. Er ahnte, wie knapp er dem Tod diesmal entronnen war, und dieses Erlebnis hatte etwas Ernüchterndes, denn er wollte immer noch nicht sterben, obgleich er

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