Hölle ohne Hintertür
genug
Gelegenheit zum Schlafen«, grinste Karl und schlug ihm auf die Schulter.
21. Maria
lässt sich nicht täuschen
Erst am Mittwochmorgen fiel
Markus Susa ein, dass er Adamo verständigen musste. Es war nicht mehr nötig,
ins Uro-Tal zu fahren und nach Korlitzer zu sehen.
Susa probierte es zunächst bei
ihm zu Hause — seinem Single-Apartment — und wählte die Nummer vom
Festanschluss. Aber sein Kumpel hob nicht ab. Auch mit dessen Handy kam keine
Verbindung zustande. Adamo trug zwar sein Mobiltelefon meistens bei sich,
jedoch nicht immer.
Dann eben später!, dachte der
Gangster und rief Nico-letta bei ihrer Mutter in Verona an.
*
Maria Corsetta, die Fotografin,
hatte sich entschieden, die erste Wache im Uro-Tal zu übernehmen. Fürs
Frühstück nahm sie sich noch Zeit und dachte an den günstigen Verlauf des
gestrigen Tages, an die künstlerischen Aufträge. Dann hüllte sie sich in ihre
weißlederne Motorradkluft und schwang sich auf ihren blitzenden Feuerstuhl. Sie
besaß zwar auch einen Alfa Romeo der Spitzenklasse, aber sie liebte das
vibrierende Feeling auf dem Motorrad wie andere Frauen und Mädchen den Rücken
eines leibhaftigen Pferdes.
Die übliche Fahrt. Die Sonne
brannte. Nur wenige Wölkchen am Himmel. Als sie die Via Quentino im Uro-Tal
entlangpreschte, sah sie den Wagen — sah ihn schon von weitem. Ein grauer Van.
Er stand vor Gunnars Haus.
Sie kannte den Van. Mit dem
waren die beiden Knochenbrecher am Montag gekommen. Aha! Die fürchteten wohl um
ihr Geld und wollten die Daumenschrauben enger ziehen.
Es wäre unklug gewesen, jetzt
kehrtzumachen. Sicherlich hatte man sie schon bemerkt. Also volle Pulle vorbei!
Die Typen, dachte sie, kennen mich ja nicht. Bin ein Motorrad-Freak auf
Geländetour.
Näher kommend sah sie den
Mercedes. Er parkte neben dem Haus. Gunnar war also zurück. Damit hatte sie
nicht gerechnet.
Der Van war leer. Die Haustür
stand offen. Maria schien es, als bewege sich jemand in der Diele. Dann lag
alles hinter der Feuerstuhlpilotin. Sie fuhr, bis sie außer Sichtweite war,
wendete, rollte langsam ein Stück zurück und hielt hinter einem mannshohen
Felsen, wo sie den Motor ausschaltete. Von hier konnte sie das Haus beobachten.
Jetzt kam einer der beiden
Knochenbrecher ins Freie, lief zum Wagen und kletterte auf den Fahrersitz. Es
war der vierschrötige Italiener. War er allein gekommen? Maria konnte den
zweiten nicht entdecken.
Der Ganove telefonierte. Dann
startete er, wendete und fuhr ab.
Der andere ist bestimmt nicht
zurückgeblieben, dachte Maria. Dieser war allein da. Sie ließ ihr Motorrad an
und fuhr zu dem verkommenen Haus.
Als der Motor schwieg, war die
Stille geisterhaft. Die Haustür stand immer noch offen. Auch alle vier Türen
des Mercedes, wie Maria jetzt erst bemerkte. Es wirkte, als sollte der Wagen
gelüftet werden.
Maria stieg ab. Plötzlich war
ihr unheimlich zumute. Sie spürte, hier war was passiert.
»Gunnar!«
In der Ferne schrie ein Vogel.
»Gunnar! Ich bin’s.« Das war
albern, denn natürlich hätte er sie an der Stimme erkannt.
Maria nahm ihren Helm ab, legte
ihn auf den Sattel, zögerte noch, das Haus zu betreten. Aber dann ging sie
hinein.
»Gunnar?«
Die Tür zum Atelier war
geöffnet. Als Maria hineinsah, schrie sie auf, so laut und schrill wie noch nie
in ihrem Leben.
*
Unweit vom Mailänder Dom
bewohnte Maria eine weitläufige Dachwohnung mit Fotoatelier und faszinierendem
Blick über die Stadt. Während der Rückfahrt hatte die Fotografin nachgedacht
und eine Entscheidung getroffen. Ihre Fassung hatte sie — nach anfänglichem
Schock — schon im Uro-Tal wiedererlangt, in Gunnars Haus, beim Anblick des
Toten. Jetzt war sie ruhig, aber voller Abscheu.
Enrico und Sophia kamen
zusammen. Marias Bruder wirkte verärgert. Er musste sich vertreten lassen bei
seiner City-Tour. Doch Maria hatte es dringend gemacht.
»Die Ereignisse überschlagen
sich«, erklärte sie, nachdem sich die beiden auf den futuristischen Sitzmöbeln
niedergelassen hatten. »Der helle Wahnsinn! Ich komme eben von Gunnars Haus.«
Ohne zu kommentieren,
berichtete sie, was sie gesehen und vorgefunden hatte.
Sophia wurde bleich wie
herkömmliche Zahncreme. Enrico biss sich auf die Lippen — wie immer, wenn er
einen Schreck nicht verkraften kann.
»Haben die... die Gangster ihn
umgebracht?«, fragte er stockend.
Maria schüttelte den Kopf. »Es
sieht aus wie ein ganz natürlicher Tod. Keine Gewalteinwirkung. Sollte er
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