Hölle ohne Hintertür
Unterweltboss und für einen
Geldeintreiber, der sicherlich drohte, aber nicht wirklich gewalttätig wurde.
Sie bemühte sich, nicht hinzuschauen. Über Susas Job sprachen sie nie.
In dieser Nacht war viel los
auf der Stazione Centrale, dem Hauptbahnhof. Der Nachtschalter für Fernreisende
hatte geöffnet. Gepäckdiener bemühten sich, ankommende Touristen abzufangen.
Ansagen dröhnten. Die Luft war stickig und schwül.
Susa hatte seine Freundin nach
einem langen Abend zu zweit hergebracht. Nicoletta musste nach Verona, wo ihre
Mutter wohnte. Vorhin war der Anruf erfolgt. Antonia, die an einer chronischen
Krankheit litt, ging es nicht gut. Nicoletta liebte ihre Mama. Keine Frage,
dass sie sofort zu ihr fuhr.
Die beiden standen nahe einem
Kiosk und warteten auf die Ankunft des Zuges, der dann nach Verona weiterfuhr.
Sie hatten noch eine Menge Zeit. Neben Nicoletta stand ihre Reisetasche. Susa
hatte seiner Freundin Obst und zwei Journale besorgt. In diesem Moment — es war
1:24 Uhr — sah er an ihr vorbei zum Nachtschalter und seine Miene spannte sich
wie ein zu enger Handschuh auf einer wuchtigen Faust.
»Das... gibt’s doch nicht!«,
stieß er hervor.
»Was denn?« Nicoletta sah sich
um, wobei ihr tiefschwarzes Haar über den Kragen der Jacke wischte.
»Vorsicht! Der darf uns nicht
sehen.« Susa zog seine Freundin hinter den Kiosk.
»Ein Bekannter, Markus?«
»Sagen wir: ein Kunde.« Er
lugte hinter dem Kiosk hervor.
»Der alte Mann am
Nachtschalter?«
»Nicht der, sondern der dahinter.
Der mit der schwarzen Labradorhündin.«
Nicoletta spähte. Sie sah einen
hoch gewachsenen, gut aussehenden Mittvierziger, der vermutlich kein Italiener
war. Der Mann schleppte einen Rucksack, hielt seinen geduldigen Hund an der
Leine und wirkte abgekämpft, ja, matt, erschöpft.
»Der schuldet meiner... äh...
Firma 400 000 Euro. Ich habe das Gefühl, der will die Platte putzen.«
»Nach 400 000 Euro sieht er
nicht aus.«
»Das steht auf ‘nem anderen
Blatt. Jetzt will ich wissen, wohin der reist.«
»Frag ihn doch.«
»Nicoletta! Dann will er
garantiert nur ans andere Ende der Stadt. Nein, der darf nicht merken, dass er
bespitzelt wird. Liebling, du musst mir einen Gefallen tun.«
»Schon verstanden, Markus. Ich
stelle mich hinter ihn und höre, welches Reiseziel er angibt.«
»Du bist wunderbar. Aber jetzt
beeil dich! Er ist gleich dran.«
Einen Moment später stand
Nicoletta hinter Gunnar Korlitzer. Der bemerkte sie und wandte sich kurz um,
war aber nicht beunruhigt. Nicoletta hielt Alina die Hand hin zum Beschnuppern,
aber die Hündin ging nicht darauf ein, blieb sitzen neben Gunnar und äugte dem
alten Mann nach, der — einen Koffer und eine riesige Fotoausrüstung schleppend
— mit seiner Fahrkarte abzog.
Gunnar rückte zum Schalter vor,
nannte die TKKG-Stadt, verlangte ein Ticket und eine Reservierung — falls noch
möglich im Raucherabteil.
»Mit Rückfahrt?«, fragte der
müde Schalterbeamte.
»Nein. Einfach. Nur Hinfahrt.«
Nicoletta wartete, bis der Mann
mit dem Hund abgefertigt war und sich Richtung Gleis soundso trollte, wo der
Trans-Europa-Express in 40 Minuten abfahren würde. Den Schalterbeamten fragte
sie nach dem Zug nach Verona und erhielt eine mürrische Auskunft.
»Wunderbar!«, begeisterte sich
Susa, als sie ihn informierte. »Der Kerl macht die Fliege. Aber jetzt kenne ich
sein Ziel.«
»Willst du ihn daran hindern,
dass er abfährt?«, fragte sie ängstlich.
»Nein. Nicht hier auf dem
Bahnhof. Außerdem ist die einfache Fahrt noch kein Beweis für seine Absicht. Es
könnte ja sein, er will mit dem Flieger zurückkommen oder mit dem Wagen. Aber
das glaube ich nicht.«
Nicoletta hatte das
unbehagliche Gefühl, dass sie jetzt sehr detailliert von seinem Job redeten.
Doch das ließ sich nicht ändern.
»In der deutschen Stadt dort«,
Susa grinste, »haben wir eine Filiale mit sehr cleveren Kollegen. Wenn der
Express morgen früh ankommt, werden sich Luigi und Bernd an Korlitzers Fersen
heften. Entkommen wird der uns nicht.«
Also Korlitzer heißt er, dachte
Nicoletta. Aber es interessierte sie nicht. Ihre Gedanken waren bei ihrer
schwer kranken Mutter.
»Liebling«, sagte Susa. »Ich
muss jetzt gleich telefonieren. Aber vorher bringe ich dich zum Zug. Denn...
Ja, da kommt er ja schon.«
Er nahm ihre Tasche und sie
gingen zum Gleis.
20.
Eiszeit-Vorboten-Tonfall
Gaby hätte Alexander Korlitzer
am liebsten schon in der ersten Pause angerufen, ließ sich aber bremsen
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