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Höllen-Mädchen

Titel: Höllen-Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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vielen Leuten so, besonders dann, wenn solche Verknüpfungen schmeichelhafter Art waren. Bei beleidigenden Anspielungen wirkte es sogar noch besser, aber Lacuna hatte keine Ader für derartigen Schund.
    Sie trieb die Schrift weiter voran. Nun begab es sich eines Tages, daß Ryver am Ufer des Schloßgrabens saß und den Fischen zusah, als ein seltsames Wesen des Weges kam. Es war ein Drache, der nach einem leckeren Fleischhäppchen Ausschau hielt, um es sich zu braten. »Ha!« sagte der Drache. »Du bist genau das, was ich suche. Komm mit mir, und ich werde dir ein unvergleichliches Erlebnis verschaffen.«
    »Nee, nee!« winkte der lebende (oder wassererschaffene) Ryver ab. »Mich wirst du nicht rösten, du bösartiges Tier!«
    Offensichtlich fuhr er auf die Geschichte ab. Nun drehte Lacuna erst recht auf. »Oh, meinst du?« Der Drache schnaubte, und sein Atem versengte die Uferpflanzen. »Ich fauche und rauche und grill’ den Kopf mit kleinem Schmauche!«
    »Ach, wirklich, Feuerkopf? Das will ich sehen!« rief der wirkliche Ryver.
    Also fauchte, und rauchte der Drache und stieß dabei eine derartige Feuersbrunst aus, daß die Erde schwarz wurde, Blitze von den Steinen sprangen und Dampf aus dem Schloßgraben emporstieg. Aber er konnte Ryver nicht rösten, weil der ja aus Wasser bestand. Dann peitschte Ryver das Wasser auf und schleuderte es dem Drachen mitten aufs Maul.
    »Siehst du! Das löscht deinen Ofen, Dumpfbrüter!« rief der Junge glücklich.
    Nun wurde der Drache richtig wütend. Er riß sein Maul weit auf und griff an. Er biß Ryver mitten durch, aber seine Zähne zeigten keine Wirkung, weil sie kein Wasser kauen konnten. Und Ryver spritzte ihm Wasser in Augen und Ohren. Das mochte der Drache nicht, weil niemand gern die Ohren gewaschen bekommt.
    Der Text lief weiter, und der Junge verschlang ihn förmlich. Er bemerkte nicht einmal, daß Lacuna die Zugbrücke überquert hatte. Das war nicht mehr schwierig gewesen, denn sie hatte genügend Text gespeichert, um den Jungen für eine halbe Stunde zu beschäftigen. Da sie keine Ahnung gehabt hatte, wie lange es dauern würde, ihn vollkommen abzulenken, hatte sie reichlich vorgesorgt. Abgesehen davon fand sie Gefallen daran, daß jemand von ihrer Geschichte begeistert war. Das Geschichtenerzählen hatte sie beim Babysitten gelernt, und sie hatte es genossen. Ryver war ein ausgezeichneter Zuhörer.
    Jetzt hatte sie den Schloßgraben überquert, befand sich aber immer noch außerhalb der Mauern. Dort gab es eine Tür. Sie näherte sich und rüttelte am Türgriff. Aber die Tür blieb verschlossen, und sie besaß keinen Schlüssel. Offensichtlich mußte sie als dritte Prüfung den Schlüssel finden.
    Langsam drehte sie sich im Kreis. Ein schmaler Pfad führte auf der Innenseite des Schloßgrabens um das Schloß herum. Er wurde von Büschen gesäumt, die Regalen ähnelten. Ihre Stämme waren vertikal und die Äste horizontal, und die Blätter vervollständigten den Eindruck. Die Büsche trugen große rechteckige Beeren, die wie Bücher in Regalen aussahen.
    Am Ufer saß ein Junge, der Beeren pflückte und sie verspeiste. Er sah Ryver verdächtig ähnlich.
    »Wer bist du?« wollte sie wissen, ohne ernsthaft eine Antwort zu erwarten.
    »Ich bin Torrent, Ryvers Zwillingsbruder.«
    Ob sie das wirklich glauben sollte? Nun, vielleicht fürs erste .
    »Was für Pflanzen sind das?« fragte sie.
    »Es sind Buchbüsche«, antwortete er. »Sie verfügen über unendliches Wissen. Ich erlange es, indem ich die Früchte verspeise.«
    Das war fast zu schön, um wahr zu sein, und daher wußte sie, daß es wahrscheinlich nicht stimmte. Aber das galt es noch herauszufinden. »Dann mußt du auch wissen, wo der Schlüssel zu dieser Tür ist.«
    »Na klar. Hier ist er.« Damit drückte er ihr einen großen hölzernen Schlüssel in die Hand.
    Sie versuchte, den Schlüssel ins Schloß zu schieben. Aber er wollte nicht passen, denn es war der falsche.
    Also kehrte sie auf der Stelle zu dem Jungen zurück. »Das ist der falsche Schlüssel. Wo ist der richtige?«
    »Auf der anderen Seite des Schlosses.«
    Das bezweifelte sie, folgte aber dennoch dem Pfad ums Schloß herum. Da lag ein kleiner Metallschlüssel auf dem Boden. Sie hob ihn auf und kehrte zur Tür zurück. Der paßte auch nicht.
    Jetzt sah sie sich den Jungen genauer an, der unablässig Beeren aß. Zweimal hatte er sie zum verkehrten Schlüssel geführt. Offensichtlich trieb er ein falsches Spiel mit ihr. Wie konnte sie nur die

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