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Höllen-Mädchen

Titel: Höllen-Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Wahrheit aus ihm herausbringen?
    Sie entschloß sich zu einem Experiment. »Torrent, bist du ein Bestandteil meiner Prüfung?«
    »Ja.«
    »Du sollst mich also in die Irre leiten und mich daran hindern, den Schlüssel zu finden.«
    »Nein.«
    »Und das machst du, indem du mich anlügst.«
    Er zögerte, und sie wußte, warum. Falls er log, würde sie es wissen, und das würde die Lüge wertlos machen. Falls er aber die Wahrheit sprach, würde er sie nicht in die Irre führen. »Nein.«
    Was bedeutete, daß er es tat. »Also hast du auch deine Identität verleugnet. Du bist Ryver.«
    »Nein.«
    »Wo ist Ryver dann? Dort drüben, wo er die Geschichte auf dem Schloßgraben gelesen hat, ist er nicht mehr.«
    Der Junge schaute hinüber und zuckte zusammen. Mit der unabgeschlossenen Geschichte im Kopf mußte es ihm sehr schwer gefallen sein, sich dort loszureißen. Torrent antwortete nicht, was Antwort genug war.
    »Und man erwartet auch nicht von dir, daß du ein Bestandteil dieser Prüfung bist«, sagte sie eingedenk der Tatsache, daß er diese Frage vorher mit »Ja« beantwortet hatte und daß es daher eine Lüge war.
    »Das kann ich sein, wenn ich es will!« verteidigte er sich.
    »Und jetzt sagst du die Wahrheit.«
    Er ließ den Kopf hängen. »Du hast mir eine Falle gestellt. Aber es tut sowieso nichts zur Sache, denn nur bei der Prüfung mußte ich wirklich lügen.«
    »Warum hast du dich nicht einfach geweigert, mir etwas über die Schlüssel zu erzählen?«
    »Weil…« Er hielt inne. »Ich kann es dir nicht sagen.«
    »Weil das Lügen etwas mit der Lösung zu tun hat!« erkannte sie.
    »Nein.«
    »Was ja bedeutet. Und die Beeren – haben die auch etwas damit zu tun?«
    »Nein.«
    »Also doch. Was sind das für Beeren?«
    »Giftige Beeren.«
    »Wohl kaum. Du hast sie ja gegessen.« Plötzlich hatte sie eine Idee. »Du warst ein ehrlicher Junge. Jetzt bist du ein Lügner. Du hast die Beeren gegessen und gesagt, es wären Buchbeeren, aber ich glaube, es sind Trugbeeren. Sie bringen dich zum Lügen!«
    »Nein!«
    »Und wenn ich eine esse, muß ich auch lügen.«
    »Nein.«
    »Aber das Lügen ist ziemlich schwierig, wenn du nicht die Wahrheit weißt. Es kann also sein, daß die Beeren über viel Wissen verfügen, um richtig lügen zu können. Also kennt der Mensch, der sie ißt, die Wahrheit, die er aber nicht sagt.«
    »Nein.«
    Sie pflückte eine Beere und steckte sie in den Mund. Sie schmeckte ekelhaft süß. Dann sagte sie: »Der Schlüssel ist…«, Wissensfetzen schossen ihr durch den Kopf, »… dort drüben.« Sie zeigte absichtlich auf einen falschen Schlüssel unter einem Busch.
    Aber jetzt wußte sie, wo sich der richtige Schlüssel verbarg. Er lag am Rand des Schloßgrabens im Schlamm versteckt unter Wasser. Sie ging dorthin, beugte sich hinunter und fischte ihn heraus. Er war aus feinstem Stein gefertigt. Damit ging sie zur Tür. Der Schlüssel paßte, und schon schwang die Tür auf.
    Sie wandte sich zu Ryver um, der ihr traurig nachblickte. Die anhaltende Wirkung der Beere führte zu einem Wissenstrom, der Lacunas Bewußtsein erfüllte. Jetzt war ihr klar, warum er sich dieser Prüfung unterzogen und mit dem Gnom getauscht hatte, der eigentlich die Beeren essen und das Lügen übernehmen sollte. Er war einsam. Er wollte unbedingt zu einer Familie gehören, und die Begegnung mit ihr, einem vergänglichen menschlichen Wesen, kam seiner Vorstellung mehr entgegen, als weiter einsam zu bleiben. Er nahm die Gelegenheit wahr, etwas mit ihr zu tun zu bekommen und sich ihr zu nähern, selbst wenn das auf abweisende Art geschehen mußte. Er tat ihr leid.
    Sie sagte nichts, denn sie wäre gezwungen gewesen zu lügen, bis die Wirkung der Beere abgeklungen war. Sie drehte sich um und trat über die Schwelle. Die Prüfungen waren bestanden, und unterhaltsam war es ebenfalls gewesen, aber so ganz zufrieden war sie nicht. Sie erkannte nun, daß sie nicht die einzige war, deren Leben aus einem einzigen Blabla bestand.

2
DER HANDKORB
    Ivy wartete gleich hinter der Tür im Gang auf sie. »Ich wußte, daß du es schaffen würdest, Lacuna!« rief sie und umarmte sie stürmisch. In den alten Zeiten war sie eines der Kinder gewesen, für die Lacuna Babysitter gespielt hatte, und sie waren immer gut miteinander ausgekommen. Jetzt war Ivy eine anziehende junge Frau von einundzwanzig, die eine glückliche Beziehung mit Grey Murphy führte.
    »Ich freue mich ganz und gar nicht darüber, dich zu sehen«, sagte Lacuna und hielt

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