Höllenengel
sagte der junge Mann. »Okay,
abgemacht.«
»Würdest du dieses Baguette dann bitte wegfahren, damit
ich durchkomme. Ich bin ein wenig in Eile.«
»Okay«, sagte der junge Mann, setzte sich in sein
Monstrum und ließ den Motor an.
Terje fuhr mit Brynja, die das Octopussy-Fahrzeug anstarrte,
Richtung Sóltún los.
»Gehörte Ævar Gísli zu dieser
Octopussy-Gang?«, fragte sie.
»Es sieht so aus.«
»Drogenhandel und Zuhälterei?«
»Das erzählt man sich. Uns fehlen aber sowohl Zeugen als
auch Beweise.«
»Obwohl es jeder weiß.«
»Ja.«
»Es ist, als könnten manche Leute von niemandem
außer dem Tod gestoppt werden.«
*****
Als Dagný und Terje wieder auf den Parkplatz vor dem
Leichenschauhaus fuhren, hatte Elías der Jüngere ein
Poliertuch in der Hand und wischte damit über den Hummer. Er
schaute zu ihnen herüber, steckte das Tuch in die Hosentasche
und öffnete die hintere Tür. Zwei Frauen erschienen und
kamen Dagný und Terje entgegen. »Ich bitte euch, die
Verspätung zu verzeihen«, sagte Dagný. »Ich
heiße Dagný und das ist Terje.«
Die größere der beiden Frauen, die beleibt war, schaute
sie wütend an und machte keine Anstalten, sie mit einem
Handschlag zu begrüßen.
»Ich heiße Bjarnveig und bin die Lebensgefährtin
von Elías, und das ist unsere Rechtsanwältin
...«
Alkoholgeruch ging von der Lebensgefährtin aus.
»Auður Sörensen, Anwältin am Obersten
Gericht«, sagte die andere Frau, die ebenfalls
wohlgenährt war, neben Bjarnveig aber schlanker erschien. Sie
richtete das Wort an Terje.
»Die erste Frage ist ja wohl, warum Bjarnveig nicht sofort
gestern, als die Leiche gefunden wurde, über den Tod von
Elías informiert wurde?«
Dagný hatte schnell eine Antwort parat.
»Gestern wurden drei Leichen in einem Sommerhaus
außerhalb von Reykjavík gefunden. Die Untersuchung des
Tatorts ging bis in die Nacht hinein und wird immer noch
weitergeführt. Jetzt ist es an der Zeit, die Leichen zu
identifizieren. Wir vermuten, dass einer der Toten Elías
Elíasson, der Inhaber vom Octopussy, sein könnte, und
wollen daher seine Lebensgefährtin und seinen Sohn bitten, das
zu bestätigen.«
»Nun gut«, sagte Auður. »Es ist wahrlich an
der Zeit.«
Während sie im Leichenschauraum warteten, sagte niemand ein
Wort, bis Bjarnveig fragte: »Ist Rauchen hier drin
verboten?«
»Leider ja«, sagte Dagný. »Und ich muss
euch warnen, bevor ihr den Leichnam seht. Sein Gesicht ist schwer
verletzt.«
Als das weiße Tuch von Elías' Gesicht gehoben wurde,
schnappte sein Sohn nach Luft, sagte aber nichts. Bjarnveig gab ein
entsetztes Stöhnen von sich und eilte hinaus, das Gesicht zu
einer Grimasse des Ekels verzerrt. Auður folgte ihr.
»Wer hat das gemacht?«, fragte Elías junior und
starrte voller Entsetzen auf das Gesicht seines Vaters, dem man die
Augen ausgestochen hatte.
»Identifizierst du die Leiche?«, fragte
Dagný.
»Was glaubst du?«, sagte Elías.
»Mit Namen«, sagte Dagný.
»Das ist mein Vater, Elías Elíasson der
Ältere«, sagte der Junge. »Jetzt will ich wissen,
was passiert ist.«
»Wir gehen raus und sprechen mit den Frauen«, sagte
Terje.
Bjarnveig stand draußen auf dem Bürgersteig und
rauchte.
»Das ist unverantwortlich«, sagte sie. »Das ist
unverantwortlich, jemandem einen Toten in so einem Zustand zu
zeigen. In so einer Situation muss man doch Anspruch auf
Unterstützung haben.«
»Selbstverständlich«, sagte Dagný.
»Mein Kollege, Terje Joensen, hat sogar eine Anerkennung
dritten Grades vom FBI in Krisenintervention, was ihr
selbstverständlich in Anspruch nehmen
könnt.«
»Und dann darf man da drin nicht einmal rauchen«, sagte
Bjarnveig.
»Ich begrüße es, dass meiner Klientin Hilfe zur
Bewältigung ihrer traumatischen Belastung angeboten
wurde«, sagte Auður. »Aber ich denke, ihre
Interessen sind besser gewahrt, wenn sich ein richtiger Spezialist,
ein Psychiater, um sie kümmert, oder sie sich selbst einen
Psychologen sucht.«
»Was ist mit dem Junior?«, fragte Terje. »Wollen
wir uns nicht alle mal zu einem guten Gespräch
zusammensetzen?«
»Auweia«, sagte Elías.
»Eine Frage«, sagte Dagný. »Wann hat
Elías sein Zuhause verlassen?«
»Letzte Woche«, antwortete Bjarnveig. »Er wollte
ins Ausland. Ich dachte, er wäre auf Reisen.«
»Wohin wollte er?«
»Das weiß ich nicht, erst nach Kopenhagen, dann nach
Holland und Estland und vielleicht noch weiter.«
Elías junior stieß die Anwältin an, als Zeichen
dafür, dass er
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