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Höllenengel

Höllenengel

Titel: Höllenengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thrainn Bertelsson
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befördert worden, nicht
wahr?«
    »Ja, das weißt du doch. Ich weiß auch, wer darauf
bestanden hat, dass ich die Stelle bekomme.«
    »Das Problem ist nur, dass ich nicht mehr in einer Position
bin, wo man auf etwas bestehen kann, und du hast die Stelle nur
für ein Jahr bekommen.«
    »Ich dachte, das sei einfach nur eine Formalie. Man hat mich
offiziell für ein Jahr eingestellt, weil man noch keine
Erfahrungen mit der Umstrukturierung hatte.
    Willst du mir sagen, dass meine Stelle demnächst wieder
ausgeschrieben wird?«
    »Ich halte das für sehr wahrscheinlich«, sagte
Lúðvík.
    »Und leider fürchte ich, dass nicht nur du dich darauf
bewerben wirst.«
    »Niemand hat mehr Berufserfahrung als ich.«
    »Die Stelle wird nicht nach Berufserfahrung, sondern nach
Bildung vergeben.«
    »Ich habe einen Universitätsabschluss.«
    »Das weiß ich doch, aber einen Abschluss in Theologie.
Was passiert, wenn sich irgendein Schlauberger aus dem Umfeld der
Landespolizeichefin mit einem Diplom einer amerikanischen
Universität in Deeskalationslehre und
Verwaltungswissenschaften der öffentlichen Einrichtungen
bewirbt?«
    »Darüber habe ich ehrlich gesagt noch nicht
nachgedacht«, sagte Víkingur. »Der
Justizminister vergibt die Stellung vermutlich an denjenigen, den
er für am fähigsten hält, in ihr etwas zu
bewirken.« »Für ihn etwas zu bewirken«,
sagte Lúðvík.
    »Was meinst du?«, fragte Víkingur.
    »Die Spitzenjobs im Staat werden seltenst danach besetzt, wer
der Fähigste ist, sondern wer all denen am bravsten dient, die
ihn in die Position berufen haben.
    Jetzt sag mir nicht, du hältst es für nichts als einen
lustigen Zufall, dass alle Polizeipräsidenten und
Gemeindevorsteher hierzulande entweder in der Demokratiepartei oder
der Bauernpartei sind. Sag mir nicht, dass du denselben Zufall
für die Tatsache verantwortlich hältst, dass keine Linken
am Obersten Gericht tätig sind.«
    »Willst du mir sagen, dass ich der Demokratiepartei beitreten
soll, damit ich auf meine Stelle berufen werden
kann?«
    »Pfui, dafür ist es viel zu spät. Das würde
nicht reichen.
    Das Einzige, was du tun kannst, ist, dich mit der
Landespolizeichefin zu treffen und ihr zu sagen, dass du es sehr zu
schätzen wüsstest, wenn sie dich für die Stelle
empfehlen würde, und dass sie in Zukunft auf dich zählen
könne. Zwischen euch besteht ja diese rätselhafte
Hassliebe, sodass es sogar sein könnte, dass sie auf dich
hört.«
    Víkingur wusste, dass Lúðvík recht hatte.
Als er die Stelle des Polizeidirektors, auf ein Jahr befristet,
angetreten hatte, hatte er sofort das Gefühl gehabt, eine
Fortsetzung sei ungewiss. Er war nur begrenzt an Politik
interessiert und alles Gerede über die Korruption des
Machtsystems und die Stellenvergabe aufgrund von Familienbanden und
Verbindungen zu Regierungskreisen hatte er immer weit von sich
gewiesen, denn er wollte daran glauben, in einer Gesellschaft zu
leben, in der man die Menschen an ihren Meriten maß. Er hatte
versucht, nicht wahrzunehmen, dass die Wirklichkeit eine ganz
andere war. Es gab viel zu viele Ausnahmen von den
vernünftigen Auswahlkriterien. Doch es gehörte nicht in
sein Aufgabengebiet, etwas anderes als Verbrechen zu untersuchen.
Es war Sache der Politiker, sich wie zivilisierte Menschen zu
benehmen, und Sache der Journalisten und Medien, sie im Zaum zu
halten und dafür zu sorgen, dass sie auf dem Teppich blieben.
  
     
    Wenn er in einer besseren Verfassung gewesen wäre, hätte
Víkingur möglicherweise anders reagiert und auf weitere
Ratschläge, wie er seine Stellung sichern konnte, gehört,
aber er war gestresst wegen der gerade angelaufenen Untersuchung
der Þingvellir-Morde und aufgewühlt wegen der
Vorfälle um Þórhildur. Er wollte sich nicht noch
mit Sorgen um seine zukünftige berufliche Sicherheit belasten,
sondern beschloss, sie von sich zu schieben, und sagte: »Ich
danke dir, dass du dir über mich Gedanken machst, aber du hast
recht. Ich habe weder politisches Gespür noch genügend
Selbsterhaltungstrieb, um in der Sache etwas zu tun. Ich bin schon
etwas älter und vielleicht ist es ganz gut, wenn ein
jüngerer Mann die Stelle übernimmt, dem es vielleicht
leichterfällt, sich an die raschen Veränderungen in der
Kriminalität anzupassen.
    Das wird einfach so laufen müssen, wie es läuft. Ich
hatte es mir nie zum Ziel gesetzt, als Polizeidirektor zu
enden.«
    »Verstehst du denn nicht, Víkingur, was es bedeutet,
wenn du nicht unbefristet zum

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