Höllenengel
nicht
mitzählt.
Aber den Anwesenden gegenüber kann ich bestätigen, dass
Elías mehr als nur eine Verbindung zu Drogen hatte. Wir
haben den sehr fundierten Verdacht, dass er in großem Stil
Amphetamin ins Land geschmuggelt hat.
Wir können in etwa auch den Zeitpunkt benennen, wann er damit
begonnen hat. Das war vor gut zwei Jahren.
Zu der Zeit importierte er Baumaterial aus Estland, und zwar in
Containern. Denkbar, dass er dort im Osten mächtige Partner,
egal, ob es sich um Russen oder Esten handelt, kennengelernt hat,
indem er sich von ihnen Prostituierte auslieh, die er dann wiederum
hierzulande als sogenannte Revuetänzerinnen weitervermittelte.
Und damit reden wir von zwei weiteren Straftaten, nämlich
einem Bruch der Sittengesetze und knallhartem
Menschenhandel.«
Für die anwesenden Polizisten war es keine Neuigkeit, dass
Rauschgift, Prostitution und Menschenhandel oft Hand in Hand gehen,
aber Ásta hatte sich die wichtigste Nachricht bis zum
Schluss aufgehoben.
»Darüber hinaus weist vieles darauf hin, dass Elli der
Teilhaber oder Mitbesitzer eines Amphetaminlabors in Estland
gewesen ist, das wohlgemerkt vor ein paar Tagen bis auf die
Grundfesten niedergebrannt worden ist. Auf dem Gelände wurden
sieben Leichen gefunden, wenn ich mich recht erinnere; eine war
wahrscheinlich aus der Gruppe der Angreifer, die anderen jedoch
Wächter und Angestellte des Labors.«
Wer bei der Besprechung kurz vor dem Eindösen gewesen war,
sperrte jetzt seine Ohren auf, setzte sich auf seinem Stuhl
aufrecht hin und tauschte mit den anderen Bemerkungen
aus.
»Nicht den Faden verlieren«, sagte Randver, und kaum
hatte er es gesagt, merkte er, dass diese Redewendung im
Gespräch mit einer modernen Frau vielleicht nicht ganz
glücklich gewählt war.
»Das ist noch nicht die ganze Geschichte«, erwiderte
Ásta trocken. »Hier sind einige Fotos vom Tatort mit
der Frage, ob wir irgendwelche der Leichen identifizieren
können. Die Fotos bekamen wir heute in aller
Herrgottsfrühe zugeschickt. Estland ist uns wohl mit der Zeit
zwei oder drei Stunden voraus. Da seht ihr auch das Gekritzel, von
dem die Esten meinen, dass es an nordische Runenschrift erinnert.
Sie vermuten, dass die Angreifer das hinterlassen haben. Auf die
Schnelle scheint es mir dem Gekritzel zu ähneln, das ihr in
Þingvellir gefunden habt.«
Dieser Vortrag, der so öde begann, hatte vor seinem Ende doch
noch das Interesse aller Anwesenden geweckt, das muss man
sagen.
Siebzehn
Dass Víkingur nicht, wie lose vereinbart, zur
Nachmittagsbesprechung ging, lag daran, dass der
Polizeipräsident Lúðvík Ásmundsson
ihn angerufen und um einen Besuch bei sich zu Hause in der
Weststadt gebeten hatte.
Lúðvík war eigentlich der ehemalige
Polizeipräsident.
Vor einem Jahr hatte eine Restrukturierung der Polizei dazu
geführt, dass ihm eine Vertragsauflösung angeboten wurde,
um die zwanzig Monate zu überbrücken, die er noch bis zur
Rente hatte.
Der Ex-Polizeipräsident, der verächtlich oft
»Dressman« genannt worden war wegen seiner völlig
fehlenden Eitelkeit in Sachen Kleidung, kam selbst zur Tür.
Sogar Víkingur ging das Aussehen seines Freundes diesmal zu
weit. Er trug einen grasgrünen Jogginganzug und seine nackten
Füße steckten in grauen Filzpantoffeln, die
»Ratten« genannt werden.
Der Polizeipräsident streckte seine Pranke aus und zog seinen
Gast ins Haus, dann steckte er den Kopf zum Türspalt hinaus
und blickte sich in der Umgebung um.
Schloss die Haustür und wies Víkingur den Weg ins
Wohnzimmer.
»Du hast doch nicht herumerzählt, dass wir uns
verabredet haben, oder?«, fragte er, als sie sich gesetzt
hatten.
»Nein, ich glaube, ich habe es noch niemandem gegenüber
erwähnt«, sagte Víkingur. »Gut, gut«,
sagte Lúðvík. »Belassen wir es auch
dabei.
Soll ich meine Frau bitten, uns Kaffee zu machen?«
»Nein, danke, ich versuche gerade, das Kaffeesaufen etwas
einzudämmen. Habe ich das richtig verstanden?
Es soll ein Geheimnis bleiben, wenn ich dich, als meinen ehemaligen
Vorgesetzten, besuche?«
»Nein, auf keinen Fall. Also so betrachtet nicht«,
sagte Lúðvík und lächelte wie
gewöhnlich, wenn er etwas anderes sagte, als er meinte.
»Es ist nun mal mit Wissen und Informationen genauso wie mit
Alkohol, die Menschen vertragen sie unterschiedlich gut. Manche
vertragen jede Menge. Andere verlieren gleich nach dem ersten Glas
den Verstand. Und je schlechter die Menschen Alkohol vertragen,
desto versessener sind sie
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