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Hoellenengel

Hoellenengel

Titel: Hoellenengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thráinn Bertelsson
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»Das
erfordert große Kunstfertigkeit. Fast jeder Dummkopf kann
zehn oder fünfzehn Gramm Amphetamin herstellen, sofern er sich
dabei nicht in die Luft sprengt. Das Geniale an meiner Methode ist
es, eine Rezeptur zu verwenden, die noch zu handhaben ist, und
dennoch den Ertrag zu verdreifachen, indem man drei
Produktionszeilen verwendet. Die Faustregel bei jeder chemischen
Produktion ist: Je kleiner die Mengenangaben in der
Synthesevorschrift sind, desto homogener und besser wird das
Produkt. Je größer die Menge, desto einfacher muss die
Durchführung sein. Dummköpfe machen einfache Dinge
kompliziert. Um komplizierte Dinge einfach zu machen, braucht man
die Begabung eines Genies.« Dann stieß sie ihr kaltes,
bellendes Lachen aus ­ hahaha! ­ und rauschte davon. Was
Baldur am Lachen von Frau Nuul unheimlich fand, war, dass es
genauso abrupt verstummte wie es begann. Normales Lachen steigert
sich, erreicht einen Höhepunkt und ebbt dann ab. Das Lachen
von Frau Nuul war dagegen wie das einer Maschine, eines
Roboters.
    Auch wenn man von Frau Nuul wirklich nicht behaupten konnte, dass
sie eine Schönheitskönigin sei, hatte Baldur in den
ersten Monaten ab und zu mit dem Gedanken gespielt, mit ihr
anzubandeln, aber je mehr Umgang er mit ihr hatte, desto weniger
Verlangen verspürte er danach. Die Frau war mehr als nur ein
bisschen seltsam. Sie war wie die Parodie eines irren
Wissenschaftlers in einem schlechten Film. Er wusste, dass Frau
Nuul trotz der Anrede »Frau« unverheiratet war, niemals
heiraten und niemals ein Verhältnis mit einem Mann haben
würde.
    Der Spitzname »Frau« haftete ihr schon seit der
Grundschule an, wo ihre erwachsene Art zu sprechen und ihr ernstes
Auftreten dafür gesorgt hatten, dass sie ihren
Mitschülern lehrerhafter als der Lehrer vorkam. Seit dem
Zeitpunkt wurde sie von Angesicht zu Angesicht Frau Nuul genannt
und »die Null«, wenn sie es nicht
hörte.
    Einmal, als Andrus ungewöhnlich beschwipst war, hatte Baldur
ihn gefragt, ob estnische Frauen in der Regel Frau Nuul
ähnelten oder ob mit ihr etwas nicht stimmte.
    Da war Andrus in schallendes Gelächter ausgebrochen und hatte
gesagt, dass sie das Asperger-Syndrom habe, von dem Baldur noch nie
gehört hatte, und er dachte zuerst, Andrus hätte gesagt,
sie habe das Asparagus-Syndrom. Der Koloss Andrus schien vor Lachen
platzen zu wollen, legte dann aber den Zeigefinger auf seine Lippen
und sagte: »An deiner Stelle würde ich das allerdings
ihr gegenüber nicht erwähnen. Alle wissen es nämlich
alle außer ihr selbst. Jeder in Tallinn weiß, dass sie
autistisch ist, und deswegen kommt niemand auf die Idee, dass sie
draußen auf dem Land ein Amphetaminlabor
betreibt.«
    Baldur hatte keinerlei Vorstellung davon, was dieses
Asperger-Syndrom war, bis Andrus ihm erklärte, es handele sich
um eine Art milder Form von Autismus. Dass Menschen mit Asperger
zwar Autisten seien, aber dennoch gut außerhalb von
Einrichtungen leben könnten. Andrus war nicht dumm ­
für einen Muskelprotz ­, aber nicht weniger sonderbar als
Frau Nuul, wenn man es genau nahm.
    Baldur wagte nicht, Frau Nuul danach zu fragen, welches Syndrom
Andrus zu einem attraktiven Kooperationspartner machte.
    Das Zähneknirschen seines Herrchens hatte Vampír
mittlerweile so verrückt gemacht, dass er aufstand, sich
reckte und winselte, womit er Baldur aus seinen Tagträumen
riss.
    »Aus«, sagte er freundlich zum Hund und nahm eine mit
Silber verzierte Schnupftabaksdose, die die Initialen seines
Großvaters trug, aus der Tasche und genehmigte sich eine
ordentliche Portion, wobei er seines Großvaters warmherzig
gedachte. Der gute alte Mann war zu Grabe getragen worden, ohne
jemals herauszufinden, dass es viel stärkere Genussmittel gab,
die man in die Nase hochziehen konnte, als eine grob zerriebene
Prise Schnupftabak. Baldur war der Auffassung, dass diejenigen, die
sich die Drogen spritzten, Junkies waren, aber die, die sie auf
anderem Wege einnahmen, waren Konsumenten.   
     
    Vampír winselte immer noch, denn von draußen drangen
Geräusche herein, aus denen man schließen musste, dass
mehr als nur ein Reh unterwegs war.
    Sein Herrchen schien vollkommen ertaubt zu sein.
    Baldur hatte wieder begonnen, mit dem Oberkörper zu schaukeln
und mit den Zähnen zu knirschen.
    Vampír machte einen letzten Versuch, seine Aufmerksamkeit zu
erregen, indem er leise jaulte.
    »Halt doch irgendwann mal die Schnauze, blöder
Hund«, raunzte sein Herr und warf mit einer Kanne nach

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