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Hoellenengel

Hoellenengel

Titel: Hoellenengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thráinn Bertelsson
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ausbeuten. Das dritte
Sommerhaus stand vorn auf dem schönsten Teil der Halbinsel,
eine heruntergekommene Blockhütte, wahrscheinlich mehr als ein
halbes Jahrhundert alt und jetzt im Besitz eines bekannten Maklers,
der mehr Immobilien besaß, als man zählen
konnte.
    In Island stehen zigtausende Ferienhäuser, wobei die
durchschnittliche Zahl der Übernachtungen pro Sommerhaus bei
unter zwanzig im Jahr liegt, was darauf schließen lässt,
dass die Anschaffung eines Ferienhauses mit etwas anderem zu tun
hat als dem Verlangen, Ruhe und Frieden im Schoß der Natur zu
genießen. Als Ásdís und Hervar spätabends
in der Johannisnacht in Þingvellir ankamen, war der
Porsche-Geländewagen des Finanzgenies nirgendwo zu sehen. Sie
waren in diesem friedlichen Paradies am spiegelglatten See
offensichtlich mit Glámur allein.
    Wegen der erheblichen Belastung, die das Publizieren von
Büchern für eine kleine Nation, die kaum Lust hat, mal in
ein Buch zu schauen, bedeutet, litt Hervar an zahlreichen Gebrechen
und Erkrankungen, wie Asthma, Burn-out, Schlaflosigkeit,
Schlafapnoe, Fußpilz und Hämorrhoiden. Die Nächte
verbrachte er damit, sich dieser Krankheitsflora entgegenzustemmen,
und sein Schlaf war daher von Unterbrechungen
durchzogen.
    Lange Stunden des Wachliegens und komatöser Schlaf mit
dazugehörigem Schnarchen und Röcheln, Seufzen und
Luftschnappen wechselten sich ab. Ásdís, die Hervar
tagsüber mit mütterlicher Hingabe bediente, brauchte ihre
Ruhe. Deswegen schliefen die beiden Ehegatten in getrennten
Räumen, wenngleich die dünne Zwischenwand keinesfalls
genügte, Ásdís vor dem Todestanz der
unheimlichen Geräusche zu bewahren, die aus der
Schlafstätte ihres Mannes drangen.
    Glámur war ein geschickter Jäger und genoss es, sich
einen schönen Tag zu machen. Er hatte von Hervar gelernt, sich
an Ásdís zu wenden, wenn ihm irgendetwas fehlte. Wenn
er hungrig war, nachdem sie zu Bett gegangen war, miaute er und
kratzte an der Tür zu ihrem Zimmer, bis sie dem Jammern
nachgab. Wenngleich Glámur fordernd und anspruchsvoll war,
so war er doch nicht undankbar. Um der Dame des Hauses die
Aufmerksamkeit zu danken, die sie ihm vielfach entgegenbrachte,
hatte er sich angewöhnt, ihr Geschenke auf die Bettdecke zu
legen, meist frühmorgens; vor allem angefressene Mäuse,
die er mit ihr teilen wollte, aber auch verschiedene Vogelarten.
Wenn er etwas gefangen hatte, kehrte er damit ins Haus zurück.
Dann ließ er seine Beute im Wohnzimmer frei, stupste sie mit
der Pfote an und versuchte, sie wiederzubeleben, um so das
Jagdfieber zu verlängern und möglichst viel Zeit damit zu
verbringen, das Leben aus dem Opfer herauszuquetschen.
 
    *****
    An diesem Morgen erwachte Ásdís davon, dass
Glámur offenbar im Begriff war,
Wiederbelebungsmaßnahmen im Wohnzimmer vorzunehmen. Schon oft
hatte sie davon zu träumen gewagt, diesen ruchlosen
Mörder aus ihrem Leben zu verbannen. Am besten, er würde
im nächtlichen Kampf mit einem Nerz oder Fuchs den Heldentod
sterben. Allerdings gab es keine Hinweise dafür, dass die
örtlichen Wildtiere mutig oder angriffslustig genug waren, um
ihr den Kater vom Hals zu schaffen.  
     
    Deswegen hatte sie auch in Betracht gezogen, ihn mitsamt einigen
Steinbrocken in einen Sack zu stecken und im Þingvallavatn zu
versenken. Aber jemandem den Tod zu wünschen und ihn
tatsächlich um die Ecke zu bringen, dazwischen liegen Welten.
Ásdís bekam regelmäßig Gewissensbisse,
wenn sich Glámur auf ihrem Schoß zusammenrollte, ohne
dass er einen Verdacht hatte, was sie für ihn empfand. Wegen
dieser Gewissensbisse versuchte sie, seine Bettgeschenke mit
Fassung anzunehmen, obwohl sie der blutrünstigen Bestie am
liebsten den Hals umgedreht hätte, sobald sie davon erwachte,
dass sie ihr eine angekaute Mäuseleiche aufs Kopfkissen
legte.
    Als an diesem Morgen Lärm aus dem Wohnzimmer zu
Ásdís drang, beschloss sie, sofort einzuschreiten und
Glámur einen Strich durch die Rechnung zu machen, zu
versuchen, dem Opfer das Leben zu retten oder zumindest zu
verhindern, dass er ein Stück blutiges Fleisch zu ihr ins Bett
schleifte. Sie sah auf die Uhr auf dem Nachttisch und stellte fest,
dass es auch Zeit war, den Frühstückstisch für
Hervar zu decken, und ging ins Wohnzimmer.
    Als Ásdís auftauchte, hatte Glámur schon jede
Hoffnung aufgegeben, seinen Fang noch einmal beleben zu
können. Er hatte genug Fleisch und Blut verschlungen, sodass
er nicht mehr hungrig war. Dieses kleine, leblose Stück, das
er

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