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Hoellenengel

Hoellenengel

Titel: Hoellenengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thráinn Bertelsson
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in der Schnauze nach Hause getragen hatte, war streng genommen
keine lebende Beute, sondern ein unerwarteter Fund, mit dem er eine
Weile zu spielen gedachte, um dann sein Frauchen damit zu
beglücken.
    In alter Gewohnheit griff Ásdís nach der
Ofenschaufel, die sie immer benutzte, um den Opfern von
Glámur den Gnadenhieb zu gewähren und sie so von
weiterer Marter zu erlösen.
    Als sie den Hieb ausführte, bewunderte Glámur sie von
Herzen dafür, mit welcher Erbarmungslosigkeit und
Konzentration sie vorging, wenn auch in diesem Fall
überflüssigerweise, weil die Beute leblos war.
Ásdís, die ihre Lesebrille nicht mitgenommen hatte,
beugte sich jetzt vor, um zu begutachten, was Glámur in die
Wohnung gezerrt hatte. Ein Vogel war es nicht, denn Glámur
ging mit ihnen normalerweise so hart ins Gericht, dass das Gefieder
von nur einer Schneeammer ausreichte, um so gut wie alles Mobiliar
im Wohnzimmer zu bedecken. Eine Maus war es auch nicht, weil der
Schwanz fehlte. Ásdís starrte auf den Fleischbrocken
auf dem Boden, konnte aber nicht ausmachen, um was für eine
Art Tier es sich handelte.
    »Hervar«, rief sie. »Hervar, komm mal und schau,
was das Katzenvieh diesmal nach Hause geschleppt
hat.«
    Hervar war schon vor einiger Zeit erwacht und hatte hin und her
überlegt, ob Ásdís sich wohl dazu bewegen
ließe, ihm das Frühstück ans Bett zu bringen, bevor
er zur Toilette tappen musste. Bei ihren Rufen entschied er sich,
aufzustehen, die Beute zu betrachten und sich den Geisteszustand
von Ásdís zunutze zu machen, um hinaus auf die
Veranda zu gehen und seine Blase dort zu erleichtern.
Ásdís konnte diese Gewohnheit ihres Mannes nicht
leiden, sodass er vorhatte, unter dem Vorwand, die nächtliche
Beute des Katers wegzuwerfen, hinauszuhuschen.
             
    Tief in seinem Innern war Hervar stolz auf die Jagdlust seines
Freundes Glámur. Er strich seiner Frau über den
Rücken und nahm ihr die Ofenschaufel aus der Hand, bevor er
sich herunterbeugte, um die Beute zu begutachten. Ein Vogel war es
nicht. Auch keine Maus. Sah am ehesten aus wie die Nachbildung
eines Daumens. Bei näherer Inspektion sah Hervar, dass es
keine Nachbildung war. Ein Daumen lag auf ihrem
Wohnzimmerboden.
    Glámur knurrte vor unterdrückter Erregung und schlug
mit dem Schwanz. »Das ist der Finger eines Menschen«,
sagte Hervar und schauderte. »Das ist ekelhaft. Wir
müssen das schnellstens in den Müll
werfen.«
    Ásdís sagte: »Wo hat der Kater das her und wo
ist der Rest?«
    *****
    Glámur trug nicht viel zur Klärung der Frage bei. Er
hatte das Essen geholt und es seinen Herrchen übergeben. Er
war satt und zufrieden und wandte sich dem Putzen seines Gesichts
zu, wie er es regelmäßig nach guten Mahlzeiten tat.
Daraufhin gähnte er ausgiebig, sprang auf das Sofa im
Wohnzimmer und begab sich zur Ruhe.
    Ásdís lief ins Badezimmer. Hervar blieb stehen und
starrte den Finger auf dem Boden an. Dann ging er in die
Küche, holte einen Plastikbeutel, stülpte ihn um und hob
den Finger auf. Dann verknotete er den Beutel.
    Er hob die Tüte auf Augenhöhe und betrachtete den Inhalt
durch das Plastik.
    »Was willst du damit machen?«, fragte
Ásdís.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Hervar.
»Müssen wir nicht die Polizei rufen?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Ásdís.
»Ich weiß nur, dass ich es hier keine Minute
länger aushalte.«
    »Und wieso?«
    »Ich bin total bedient. Diese eklige Katze schleppt
ununterbrochen irgendwelche Lebewesen hier rein, um sie zu
misshandeln und zu töten. Ich weiß nicht, wie viele
Kadaver von Vögeln und Mäusen ich schon rausgetragen
habe, aber jetzt ist es genug. Wenn dieses Scheusal anfängt,
hier mit Überresten von toten Menschen reinzukommen, sage ich:
Bis hierhin und nicht weiter.« »Was meinst du mit
>Überreste von toten Menschender es nicht leiden konnte, wenn sein Glámur diskreditiert
wurde.
    »Schau dir doch mal an, was du in den Händen
hältst, Mann.«
    »Das ist doch nur ein Daumen. Menschen sterben doch nicht
davon, einen Daumen zu verlieren.«
    »Ach so? Glaubst du etwa, hier war jemand in der Gegend
unterwegs, der seinen Daumen >verloren< hat, ohne es zu
bemerken?«
    »Was weiß denn ich. Ich weiß ja noch nicht
einmal, ob Glámur das hier in der Nähe gefunden
hat.«
    »Glaubst du etwa, dass die Scheißkatze sich das aus der
Stadt mitgenommen hat? Als Proviant oder was?«
    »Natürlich nicht.«
    »Nein, wohl kaum.« Ásdís hatte rote
Backen bekommen. Obwohl

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