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Hoellenengel

Hoellenengel

Titel: Hoellenengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thráinn Bertelsson
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er verstorben ist, dann ist das seine
Privatangelegenheit. Ich habe jedenfalls nicht vor, seine
Beerdigung zu bezahlen, und auch nicht die
Schulden.«
    »Wir müssen dich bitten, mitzukommen und die Leiche zu
identifizieren«, erklärte Dagný.
    »Leiche identifizieren? Hast du mir nicht gerade gesagt,
Jói ist tot?« »Doch.«
    »Und dann bittest du mich, das, was du sagst, zu
bestätigen?«
    »Ja.«
    »Was sind das denn für Arbeitsmethoden, hier in der
Stadt mit solchen Mitteilungen herumzulaufen und dann zu verlangen,
dass die Leute bestätigen, dass es stimmt?«
    Norma blickte sie aus heimtückischen Schweinsäuglein an
und machte einen Versuch, sich mit dem Werkzeug, mit dem sie das
Papier aufsammelte, den Rücken zu kratzen. Ohne Erfolg. Das
Gerät schien auch dafür nicht geeignet.
    »Niemand bittet dich darum, zu bestätigen, dass wir die
Wahrheit sagen«, sagte Dagný.
    »Ach so? Dann muss ich also nicht mit euch
mitkommen?«
    »Doch, du musst bestätigen, dass es sich um den Leichnam
deines Bruders handelt«, erwiderte Dagný.
    »Was passiert, wenn ich mich weigere?«, fragte
Norma.
    Dagný schaute ihren Kollegen an und sah, dass Terje nicht
vorhatte, sich in das Gespräch einzumischen.
    »Wenn ich ganz ehrlich sein soll, weiß ich nicht, was
dann passiert. Ich habe noch nie erlebt oder auch nur davon
gehört, dass sich jemand weigert, die Leiche eines nahen
Angehörigen zu identifizieren. Wenn du dich weigerst, gehe ich
davon aus, dass wir wieder zur Polizeiwache fahren und eine
Vorladung oder einen richterlichen Beschluss bekommen, der besagt,
dass du es tun musst. Auf jeden Fall bin ich mir sicher, dass es
Ärger geben wird.«
    »Kann der nicht sprechen, dieser Kerl da, den du mitgebracht
hast?«, fragte Norma und zeigte auf Terje. »Doch, ich
habe nur keine Lust, mich mit Leuten zu streiten«, entgegnete
Terje. »Kommst du jetzt mit oder nicht?«
    »Mitkommen?«, fragte Norma. »Jetzt gleich? Ich
bin bei der Arbeit, wie ihr seht.«
    »Jetzt sofort. Wir fahren dich auch wieder
zurück.«
    »Ist das absolut sicher?«
    »Ja. Selbstverständlich.«
    Norma schaltete den Motor aus und fragte mit trotziger Stimme:
»Wollen wir dann nicht mal los?«
    Auf dem Weg zum Auto fragte Dagný: »Gibt es noch
weitere Familienangehörige, denen wir diesen Todesfall
mitteilen müssen?«
    »Jói und ich sind Zwillinge, glücklicherweise
keine eineiigen. Und dann haben wir eine Schwester gehabt, die
starb, als sie noch klein war«, sagte Norma und setzte sich
ins Auto. »Mama hat Alzheimer und einen Herzfehler. Papa hat
zuletzt, als wir etwas von ihm hörten, in Neu-Mexiko
gewohnt.«
    »Neu-Mexiko in den USA?«, fragte Terje.
    »Nein, im Breiðholt-Viertel«, sagte Norma.
»Kennst du viele Orte, die Neu-Mexiko
heißen?«
    »Habt ihr denn Kontakt zu euren Eltern?«, fragte
Dagný.
    »Ich bin von zu Hause weg, als ich dreizehn war«, sagte
Norma. »Mein Bruder wohnte weiterhin bei unserer Mutter und
hat sie für sich arbeiten lassen. Er ist erst ausgezogen, als
die Bank der alten Frau die Wohnung weggenommen hat, wegen einem
Kredit, den er ihr untergejubelt hat. Dann brauchte er sie nicht
mehr.
    Trotzdem war er ihr Sonnenschein. Mir konnte sie nicht verzeihen,
dass ich weggelaufen war, und nachdem ich bei der Stadtreinigung
angefangen hatte, gab sie mir Bescheid, dass sie nichts mehr von
mir wissen wolle.
    Kriminelle sind offenbar feine Leute. Besser als wir vom
Müll.«
    *****
    Norma verzog keine Miene, als sie ihren Bruder auf der Leichenbahre
liegen sah. Sie schaute sich sein Gesicht an, schien aber vor allem
an der Umgebung interessiert zu sein und äugte herum.
  
     
    »Ja, das ist mein Bruder«, sagte sie.
»Jóhann Breki Baker. Soll ich irgendetwas
unterschreiben?«
    »Ja, nachher«, sagte Dagný.
    Ganz offensichtlich hatte Norma einiges an ihrem Bruder auszusetzen
gehabt, sodass es die Polizisten überraschte, als sie fragte:
»Darf ich ihn auf die Stirn küssen?«
    »Ja, natürlich.«
    »Ich sehe ihn wohl nicht wieder«, sagte sie und
berührte die Stirn ihres Bruders mit den Lippen.
»Verdammter Idiot, dass du so mit dir umgehen
lässt.«
    *****
    Ævar Gísli Guðbergsson, genannt Goldköpfchen,
war in einem Wohnblock im Sóltún gemeldet. An der
Türklingel stand Brynja Gísladóttir.
    »Wohnt dieses ganze Pack bei seinen Müttern?«,
raunte Terje, als er klingelte.
    Eine kleine dunkelhaarige Frau öffnete die Tür.
Dagný wünschte ihr einen Guten Tag und nannte
Ævar Gíslis Namen. »Der wohnt hier

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