Hoellenfeuer
sprachen und schrien wirr durcheinander. Einige voll Euphorie, andere zornig und entsetzt. Ein mächtiges Rauschen und Tosen setzte ein, als hunderte von Ihnen sich in die Lüfte erhoben und um die Flanken des Berges rasten. Sand und Staub begann die Luft zu erfüllen, ein gelb-brauner Schleier legte sich um den Berg Gottes und hüllte ihn ein. Die Sonne verhüllte ihr Antlitz.
In all dem Lärm stand Raphael ruhig und völlig gelöst auf dem Gipfel des Gottesberges. Er schloss die Augen und breitete die Arme aus. Ein ungewöhnliches Gefühl begann sich in seiner Brust breitzumachen. Es wuchs, gewann an Stärke, drängte mit Macht nach außen, füllte ihn mehr und mehr aus. Es war ein Gefühl von Stärke und Zuversicht. Es sagte Raphael mehr als tausend Worte, dass er das Richtige getan hatte. Er fühlte sich frei.
Er hätte nicht sagen können, wie lange er dort gestanden und dieses Gefühl genossen hatte. Doch als er die Augen wieder öffnete und die Arme sinken ließ, bot sich ihm ein ungewöhnliches Bild. Noch immer erfüllte der gelbliche Staub die Luft, glitzernd , flirrend und alles bedeckend. Um ihn herum rasten die Schatten fliegender und tobender Dämonen, gefallener Engel, die ihren Zorn und ihr Unverständnis über Raphaels vermeintlichen Verrat an Gottes Weltordnung aus sich herausschrien.
Doch im gelben, tanzenden Staubdunst begannen sich weitere Schatten zu bilden, die sich auf Raphael zubewegten. Mehr und mehr Engel traten auf Raphael zu, formierten sich um ihn und verließen das umgebende Zwielicht. Für immer.
Schließlich standen rund vierhundert Engel um ihn herum. Keiner von ihnen würde wieder in die Finsternis zurückkehren, aus der sie gekommen waren. Einer von ihnen trat schließlich auf Raphael zu und blieb vor ihm stehen. Noch immer tobte um diese Gruppe herum das Chaos, der Lärm und der Staub der zornigen Engel. All jener, die Raphael nicht würden folgen wollen. Ihre dunkelroten Leiber durchzuckten die gelbe Staubwolke und tauchten sie in ein finsteres Leuchten.
„ Nathaniel“, sagte Raphael. „Was hast du mir zu sagen?“
Der Engel sah Raphael ernst an. „Ich glaube, dass du Recht hast “, sagte er. „Und wie es scheint, bin ich nicht der einzige, der so denkt.“
Er wies mit der Hand um sich herum, dorthin, wo die anderen Engel dieser Gruppe Position bezogen hatten. „Wenn dieses Menschenmädchen dir Frieden gebracht hat, dann ist das vielleicht der Weg, den Gott uns bestimmt hat. Vielleicht ist dies wirklich der Zeitpunkt, da wir unseren Krieg mit den Menschen beenden sollten, um zu Gottes Werten zurückzufinden.“
Raphael lächelte Nathaniel an und nickte. Dann ergriff er seine Hände und drückte sie fest.
„Ich weiß nicht, ob mein Weg der eure sein kann“, sagte er, während er sich in der Menge umsah. „Aber vielleicht können wir es gemeinsam herausfinden.“
„Raphael, mein Bruder “, erwiderte Nathaniel. „Ich glaube fest daran, dass Eleanor und du uns schon geholfen habt. Jetzt, da ich meinen Entschluss gefasst habe, die Menschen nicht länger als minderwertige Feinde anzusehen, fühle ich mich wie von einer schweren Last befreit. Es erscheint mir so viel richtiger, sie mit Gottes Augen zu sehen. Ich bin den Hass und die Verzweiflung einfach leid. Ich werde mich dem nicht wieder hingeben. Nicht einmal in Gottes Namen. Vor allem nicht in Gottes Namen!“
Raphael sah Nathaniel fasziniert an. Der Engel hatte mit so großer Leidenschaft und Überzeugung , mit solcher Inbrunst gesprochen, dass die umstehenden Engel entschlossen die Fäuste ballten und grimmige Mienen aufsetzten. Sie alle würden sich von nun an einem Befehl widersetzen, der gegen die Prinzipien Gottes stand – selbst wenn ein solcher Befehl von Gott selbst käme!
„Wie können wir dir helfen, Raphael?“, rief ein Engel aus der Menge.
Raphael wandte sich in seine Richtung. „Wir müssen sie Samael entreißen!“, rief er. „Wir dürfen nicht zulassen, dass er sie uns nimmt. Sie hat etwas ins Rollen gebracht, das große Auswirkungen auf uns Engel haben wird. In diesem Augenblick ist sie der kostbarste Mensch auf Erden!“
Nathaniel und viele andere Engel nickten entschlossen. Dann legten sie, wie auf ein stummes Signal hin, die Köpfe in den Nacken und stießen ein ohrenbetäubendes Gebrüll aus. Im Umkreis von vielen Kilometern lösten sich gewaltigen Lawinen von den Bergen des Sinai. Berge barsten, zersplitterten und zerfielen zu Staub. Der Schalldruck war so gewaltig, dass die
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