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Hoellenfeuer

Hoellenfeuer

Titel: Hoellenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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an die Kante des Kais stellten und bei jeder Welle zurücksprangen, um nicht ins Meer gerissen zu werden.
    „Es wird Zeit, Michael abzuholen “, sagte Veronica schließlich.
    Gemeinsam gingen sie zum Zentrum zurück und hielten auf St. Michael and All Angels, die Hauptkirche der Stadt, zu.
    Schon von weitem winkte ihnen vor dem Portal der Kirche ein hochgewachsener Junge von vielleicht neunzehn Jahren zu. Er war dunkelhaarig, mit einem freundlichen, offenen Gesicht, aus dem zwei hellgraue Augen vorwitzig hervorblitzten.
    „Hi, ich bin Michael “, stellte er sich Eleanor vor, als die drei bei ihm ankamen. Zuerst gab er Eleanor die Hand, erst dann begrüßte er seine Familie.

Naral und Uriel
     
    Die Rückfahrt von Bude nach Stratton schien eine Ewigkeit zu dauern. Eleanor saß neben Michael auf dem Rücksitz und gab sich die größte Mühe, nicht ständig zu ihm hinübersehen zu müssen.
    Sie wusste nicht warum, aber in Michaels Nähe zu sein, machte sie befangen. Mit einem Schlag waren all ihre Ängste und Zweifel aus der Schule zurückgekehrt. Er war genau der Typ des gutaussehenden Draufgängers, der ihr in der Schule Probleme bereitet hatte. Sicher, die Mädchen waren schlimmer gewesen. Ihr ständiges Getuschel und ihre offene Häme und Verachtung hatten Eleanor mürbe gemacht. Die Jungs waren anders gewesen – sie hatten Eleanor einfach nur ignoriert. Sie hatte in den Augen der Jungs einfach nicht existiert. Auch das konnte die Seele krank machen.
    Und nun saß jemand wie Michael neben ihr, nachdem in den vergangenen Tagen all diese Gedanken und Ängste von ihr abgefallen waren. Sie begann sich zu fragen, wie sie den Wagen verlassen könnte, ohne allzu unhöflich zu erscheinen. Diesmal schien es trotz Veronicas Fahrstil eine Ewigkeit zu dauern, bis die ersten Häuser von Stratton auftauchten. Sie hatte auch kaum mitbekommen, dass Bess während der Fahrt fast ununterbrochen geredet hatte. Endlich hielt der kleine Ford neben einem Haus am Ortseingang von Stratton. Bess und Michael stiegen hier aus und verabschiedeten sich von Eleanor. Während Bess sich in den Wagen hineinbeugte und Eleanor fest umarmte, gab Michael ihr die Hand und blickte sie freundlich an.
    „Bis zum nächsten Mal, Eleanor “, sagte er. Eleanor blickte verunsichert zur Seite, während sie seinen Händedruck sanft erwiderte. Ihre Wangen fühlten sich heiß an und sie war kaum in der Lage, seinem Blick zu begegnen. Ihr Magen hatte sich in den letzten Minuten so zusammengezogen, dass sie glaubte, sich übergeben zu müssen.
    Endlich fiel die Wagentür ins Schloss und der kleine Wagen setzte sich wieder in Bewegung. Bess und Michael gingen gemeinsam ins Haus, Veronica hingegen fuhr Eleanor zurück nach Stratton Hall. Im Laufe der Fahrt sprachen sie nur über wenige, belanglose Dinge und als schließlich das große Eingangstor zum Park von Stratton Hall zwischen den Bäumen auftauchte, hatte Eleanor beinahe das Gefühl in die Sicherheit ihres eigenen Heimes zurückzukehren. Hier gab es keinen Michael, der ihr das Gefühl gab, anders zu sein und nicht dazuzugehören.
    „Ich bin ungerecht “, schalt Eleanor sich, nachdem sie sich von Schwester Veronica verabschiedet hatte und auf das Hauptgebäude zuging. „Er hat mir nichts getan und eigentlich war er freundlich zu mir.“
    Ein anderes Gesicht schob sich vor die Erinnerung an Michael. Raphael. Er war hier. Hier in Stratton Hall. Und er vermittelte Eleanor nicht das Gefühl, anders zu sein. Kein Wunder – er war selbst so anders, wie man nur sein konnte. Menschen wie Michael hingegen machten ihr unablässig bewusst, dass der Rest der Welt in ihr eine Außenseiterin sah – und Eleanor wollte keine Außenseiterin sein. Sie hätte alles darum gegeben, Raphael nahe sein zu können. Aber sie hätte auch alles darum gegeben, so wie alle anderen sein zu können und in den Augen von Menschen wie Michael dazuzugehören. Diese beiden Welten passten nicht zueinander.
    Mittlerweile war sie in ihrem Zimmer angekommen. Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss und die Welt war endlich ausgesperrt.
     
    „Du siehst verunsichert aus“, erklang Raphaels Stimme hinter Eleanor.
    Es war Abend geworden und Eleanor hatte ihr Zimmer seit ihrer Ankunft am Nachmittag nicht mehr verlassen. Selbst ihr Abendessen hatte sie zur Verwunderung der Stationsschwestern wieder auf ihrem Zimmer eingenommen. Nun war es dunkel geworden und die Nacht senkte sich auf das Land hinab. Das Zwitschern der Vögel draußen im Park nahm

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