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Hoellenfeuer

Hoellenfeuer

Titel: Hoellenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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von gleichem Wesen waren. Uriel hatte die gleichen Augen, die gleichen wunderschönen Hände, den gleichen grausamen Zug um den Mund.
    „Ich möchte nicht unhöflich sein, aber du darfst nicht hier herein “, sprach Uriel, ohne den Blick von Eleanor zu wenden.
    „Was hast du?“, fragte Raphael hinter ihm. „Warum darf sie nicht herein?“
    Uriel wandte sich halb zu Raphael um. „Habt bitte Verständnis“, erwiderte er steif. „Naral und ich möchten nicht, dass ein Mensch in unseren Geist eindringt...“
    Einen Augenblick lang herrschte betretenes Schweigen.
    „Es tut mir leid...“, stammelte Eleanor verschämt. „Ich möchte euch keine Unannehmlichkeiten machen.“
    Ein glockenhelles Lachen, verbunden mit dem Rauschen zweier mächtiger Schwingen war hinter Eleanor zu vernehmen.
    „Das tust du nicht, kleines Menschenmädchen“, erklang eine helle Stimme.
    Eleanor fuhr erschrocken herum. Dort stand ein Wesen, dass wie Raphael und Uriel aussah und dennoch gänzlich anders war. Während die beiden Engel an Eleanors Seite groß, stark und mächtig wirkten, war der Neuankömmling deutlich kleiner und graziler. Seine Bewegungen wirkten verspielter und noch eleganter, sofern dies möglich war. Vor allem sein Gesicht aber war kaum mit dem von Raphael oder Uriel vergleichbar. Es war viel zarter und von unglaublicher Ebenmäßigkeit. Wunderschön und sanft. Große Augen wurden von langen, dichten Wimpern beschattet und der Mund unter der grazilen Nase war voll und überaus anziehend. Eleanor hätte schwören können, dass dieser Engel weiblich sein musste, doch auch wenn er unbekleidet schien, so waren bei ihm keinerlei Geschlechtsteile zu erkennen.
    „Du musst wohl Naral sein “, stammelte Eleanor unbeholfen.
    Naral lachte. Es war ein herzliches Lachen, vollkommen frei von jeder bösen Absicht. „Ihr Menschen seid bemerkenswert “, strahlte sie. „Es ist das allererste Mal, dass jemand eurer Rasse hier ist. Seit Tausenden von Jahren beobachte ich euch schon, aber ich lerne immer noch dazu. Erstaunlich, dass ihr jetzt schon in unsere Welt vordringen könnt.“
    „Sie ist mit mir gekommen “, wandte Raphael ein. „Ihr Name ist Eleanor.“
    „Ich verstehe “, erwiderte Naral. Dann schlich sich plötzlich ein schelmisches Lächeln auf Narals Gesicht. „Ich weiß, was du denkst, Eleanor“, sagte Naral und fixierte Eleanor mit strahlend blauen Augen. „Du fragst dich, ob ich weiblich bin, weil ich so anders wirke als Uriel. Aber du weißt auch, dass Engel eigentlich geschlechtslos sein müssten. Du bist verwirrt.“
    Eleanor nickte verunsichert. Wieder erklang Narals zauberhaftes Lachen. Dann ergriff sie Eleanors Hand und zog sie lachend mit sich. „Komm, wir gehen ein wenig spazieren. Die 'Männer' wollen sicher unter sich sein.“
    Selbst Eleanor musste lächeln bei der spöttischen Art, in der Naral das Wort 'Männer' aussprach. Doch sie blickte sich unsicher und fragend zu Raphael um. Raphael wirkte ernst und angespannt, doch er nickte ihr deutlich zu. Daher wandte sie sich um und folgte Naral, die sie ungeduldig und übermütig hinter sich her zog. Ein letztes Mal drehte sie sich zu dem kleinen Haus um, dort standen Raphael und Uriel und sahen ihnen schweigend nach. Dann konzentrierte sie sich wieder auf Naral.
    „Ich habe schon einiges über dich von Uriel gehört “, sagte Naral mit ihrer hellen Stimme. „Du darfst ihm nicht böse sein. Aber er würde sich angreifbar fühlen, wenn du in seine Seele blicken könntest.“
    „Du denn nicht?“, fragte Eleanor.
    „Streng genommen bist du schon in Uriels und meinem Geist. Sieh dich doch um. Glaubst du denn wirklich, dass die Seelen zweier Engel in einem so kleinen Häuschen Platz haben könnten?“
    „Nicht?“, fragte Eleanor irritiert.
    Naral lachte wieder. „Es ist das ganze Land, das ganze Gebirge, in dem wir leben. Nirgendwo ist der Himmel weiter und lässt es sich besser fliegen, als hier. Ein Haus brauchen wir nicht. In der kleinen Blockhütte befindet sich nur des letzte bisschen unserer Seelen, in das niemand eindringen sollte.“
    „Ich verstehe “, erwiderte Eleanor.
    Eine Weile gingen beide nebeneinander her über die weite Bergwiese, die an allen Seiten von schroffen Felswänden umgeben war und die kilometerhoch in den Himmel zu ragen schienen. Doch während die schroffen Bergwände kahl und lebensfeindlich wirkten, scharfkantig und gefährlich, so vermittelte die Bergwiese einen gänzlich anderen Eindruck. Das Gras stand hoch und

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