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Hoellenfeuer

Hoellenfeuer

Titel: Hoellenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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abgesperrt und so konnte sie sie nicht öffnen, um einen Blick hineinzuwerfen. Dennoch starrte sie die Wandvertäfelung fasziniert an und strich mit den Fingern darüber, bis sie zu der kleinen Eule kam, deren Flügel abgebrochen war.
    „Oh, hier ist etwas kaputt “, sagte sie erstaunt. Dann trat sie zurück und atmete fröstelnd ein. „Kalt ist‘s hier. Lass uns lieber irgendwo hingehen, wo es wärmer ist.“
    „Ich habe mir gedacht, dass ich euch beide hier finden würde “, erklang in diesem Augenblick eine Stimme hinter ihnen.
    „Raphael.“ Die beiden Mädchen wandten sich erschrocken um.
    Raphael lachte. Sein unvergleichliches Lachen, das Eleanor so bezaubernd fand.
    „Sagt mir nicht, dass ihr euch nur für Holzschnitzereien interessiert “, grinste er. „Orte des Verbrechens haben schon immer einen besonderen Reiz auf die Menschen ausgeübt.“
    „Es stimmt “, gab Bess ihm recht. „Es ist ein merkwürdiges Gefühl, hier zu stehen und zu wissen, dass hundertfünfzig Jahre lang ein Skelett hinter dieser Wand gelegen hat. Ich bin im Laufe der Zeit oft genug hier entlang gegangen und hatte keine Ahnung.“
    „Und wäre Eleanor nicht gewesen, würde es noch immer so sein “, sagte Raphael, während er Eleanor anlächelte. Und während Eleanor zurücklächelte, beobachtete Bess das Mienenspiel der beiden. Sie war sich ziemlich sicher, dass die beiden sich in diesem Augenblick angefasst hätten, wenn sie nicht dabei gestanden hätte. Es konnte in ihren Augen kaum einen Zweifel geben – hier waren zwei, die zueinander gefunden hatten, aber die noch nicht so weit waren, es der Welt und einander offen zu zeigen.
    Das alles würde Michael kaum gefallen, so viel war sicher. Die letzten zwei Tage seit ihrer Begegnung hatte er kaum noch über etwas anderes gesprochen, als über Eleanor. Die kurze Autofahrt von Bude nach Stratton hatte er nicht einen Augenblick lang die Augen von ihr lassen können und schließlich hatte er Bess gefragt, ob sie nicht noch einmal ein Treffen arrangieren könnte. Unter den gegebenen Bedingungen würde es sehr schwierig für ihn werden, Eleanor auf sich aufmerksam zu machen, aber vielleicht war es das Beste, wenn er das selbst so schnell wie möglich einsah.
    „Es ist gut, dass du da bist, Raphael “, sagte sie daher unvermittelt. „Eleanor und ich hatten gestern vorgehabt, gemeinsam irgendetwas zu unternehmen. Aber dann kam ja ihr großer Fund dazwischen. Wie sieht es aus – wollen wir heute alle zusammen etwas machen?“
    Wieder wandten Eleanor und Raphael ihre Blicke einander zu, wie Bess bemerkte. Eleanor lächelte. Raphael hingegen schien zunächst unschlüssig. Dann aber erwiderte er Eleanors Lächeln und nickte Bess zu.
    „Wo soll es hingehen?“, fragte er.
    Bess zuckte mit den Schultern. „Wart ihr schon in Tintagel?“, fragte sie.
     
    Rund eine halbe Stunde später saßen sie bereits im Bus. Sie waren zu Fuß nach Stratton gelaufen und dort in den Bus eingestiegen, der sie über Bude nach Tintagel bringen würde – der Burg, in der einer Sage nach König Uther Pendragon mit der Fürstin Igraine den späteren, legendären König Arthur gezeugt haben soll und so ihren Ehemann Herzog Gorlois betrog.
    Wie zufällig hatten sie zuvor in Stratton Michael getroffen, der kurzerhand beschlossen hatte, mitzufahren. Allerdings war ihm sein Missfallen schon kurz darauf deutlich anzusehen gewesen, dass dieser Raphael mitgekommen war. Nun saß er neben seiner Schwester hinter Eleanor und Raphael. Und zu allem Übel schien Bess die Situation auch noch witzig zu finden und knuffte ihn alle naselang mit dem Ellenbogen in die Rippen. Sie bemühte sich nicht einmal, ihr Grinsen zu unterdrücken, sondern gab ihm durch ihre Mimik deutlich zu verstehen, dass sie diese Entwicklung als äußerst erheiternd empfand.
    Michael bekämpfte seine Eifersucht auf Raphael. Wie konnte d ieser Kerl ein Konkurrent sein? Er kam aus dem Sanatorium, also dürfte er eine ganze Handvoll Probleme am Arsch haben. Über kurz oder lang würde Eleanor schon erkennen, dass Michael der Beständigere von beiden wäre. Die bessere Alternative. Hier war nur Geduld gefragt, dann würde sich alles von selbst ergeben. Und dennoch war diese Busfahrt in seinen Augen alles andere als leicht.
    Die immer wieder von grauen Granitfelsen durchbrochenen grünen Wiesen Cornwalls mit ihren beschaulichen kleinen Weilern flogen draußen am Bus vorbei. Die Sonne hatte endlich einmal die Wolken vertrieben und strahlte auf ein

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