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Hoellenfeuer

Hoellenfeuer

Titel: Hoellenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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Land, das schon alt gewesen war, als die Römer in ihren genagelten Caligae hier einmarschiert waren und die Druidenkulte der Kelten bis aufs Blut bekämpft hatten. Dieses Land war so wunderschön und zugleich so geschichtsträchtig, dass sich im Laufe der Jahrtausende ganz selbstverständlich zahlreiche Legenden und Mythen um die alten Bauwerke, Wälder und Felsküsten gelegt hatten. Jede Bauernkate schien ihre eigenen Geschichten von Feen, Elfen und Zauberern zu erzählen und wohl nirgendwo sonst auf der Welt konnte man so leicht an Kobolde, Magie oder Gespenster glauben.
    Gespenster, dachte Eleanor. Cornwall schien wirklich aus zwei Welten zu bestehen. Hinter ihr saßen Bess und ihr Bruder Michael, die beide fest in der Realität standen und in deren Augen alles einfach und rational erklärbar war. Und neben ihr saß Raphael, der genau wusste, dass Eleanor hier Kontakt mit den Geistern Verstorbener gehabt hatte. Und mit Engeln. Für Bess und Michael wäre dies eine andere Welt – eine, die sie nicht verstehen würden. Eine, an die sie niemals würden glauben können.
    Mittlerweile hatten sie auch Bude hinter sich gelassen und fuhren weiter gen Süden, bis die ersten Hinweisschilder auf die Burg von Tintagel am Wegesrand erschienen. Immer wieder sahen die Vier auf der rechten Seite des Busses das graue Meer zwischen den Hügeln auftauchen. Zugleich fuhr der Bus nun immer offensichtlicher bergauf. Die Steilküste Cornwalls stieg hier viele Meter über den tosenden Wogen des Meeres auf und die gewaltige Brandung ließ ihr Donnern über Kilometer hinweg ins Innere des Landes dringen. Über ihnen kreischten Möwen und über allem lag schon jetzt der salzige Geruch des Meeres.
    Endlich hatten sie die Bushaltestelle für Besucher der Burg von Tintagel erreicht. Von hier aus war es nur noch wenig mehr als einen Kilometer zur Burg, eine Distanz die gut zu Fuß zu bewältigen war. Die Vier stiegen aus und begaben sich auf den Weg zur Steilküste, hinter der die Burgruine auf einer Halbinsel lag. Michael und Bess gingen voran, während Eleanor und Raphael folgten. Der Wind wehte frisch vom Meer her, wirbelte ihre Haare durcheinander und trug die Geräusche der gewaltigen Brandung zu ihnen herüber.
    „Seid ihr schon einmal hier gewesen?“, fragte Eleanor nach vorn.
    „Ein paar Mal“, erwiderte Michael grinsend, während er sich zu ihr umwandte. „Wenn du hier wohnst und zur Schule gehst, kommst du am einen oder anderen Schulausflug hierher kaum vorbei. Wir werden die Burg gleich sehen können.“
    Sie stapften weiter in Richtung auf die Steilküste, von der Eleanor wusste, dass sie an dieser Stelle mehr als fünfzig Meter über dem Meer aufragte. Und schließlich sah sie es. Vor ihr fielen die Klippen schlagartig senkrecht nach unten ab. Aus schwindelerregender Höhe starrte Eleanor zum Meer hinab, dessen gewaltige Brandung weiße Schaumkronen auf den Wellen bildete. Nur ein Schritt, nur ein Fehltritt, und man fiel eine halbe Ewigkeit nach unten. Aus dieser Höhe würde die Wasseroberfläche hart wie Beton sein. Doch dort, rund einhundert Meter weiter, erhob sich aus dem tosenden Meer ein gewaltiger Felskegel. Schroff, finster und abweisend stand er da und an seine Flanke klammerten sich die Mauern einer Burgruine, die hier dem tobenden Wind ausgesetzt war.
    Ei ne schmale, felsige Landzunge mit einer Brücke führte vom Festland aus hinüber und Eleanor wurde allein durch ihren Anblick schwindelig. Es schien ihr unvorstellbar, dass diese Burg jemals durch Feinde eingenommen worden sein könnte.
    Schritt für Schritt kämpften sie sich nun gegen den Wind voran auf die Felsbrücke zu und einige Minuten darauf standen sie endlich am Rande der Brücke. Tief unter ihnen tobte die Brandung, doch der Weg war für Touristen ausgebaut und abgesichert worden und es bestand normalerweise keine Gefahr, dass man in Folge einer kurzen Unaufmerksamkeit abstürzen könnte. Heute jedoch blies der Wind so stark, dass man unsicher auf den Beinen war. Vor ihr kämpften sich Bess und Michael vorwärts und beide hielten sich krampfhaft am Geländer fest. Eleanor warf Raphael heimlich Blicke zu und bemerkte, wie selbstsicher er diesen Weg entlangging. Er lächelte, hielt die Hände in den Hosentaschen und sah sich offenkundig amüsiert um. „Kein Wunder“, dachte Eleanor. „Selbst wenn er abstürzte, würde ihm nichts geschehen.“
    Es schien eine Ewigkeit gedauert zu haben, bis sie auf der anderen Seite der Brücke angekommen waren und

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