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Hoellenfeuer

Hoellenfeuer

Titel: Hoellenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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vor dem verfallenen Eingang von Tintagel Castle standen. Es war ein beeindruckender Ort, der Eleanor staunen und erschauern ließ. Die Burg selbst war größtenteils zerstört. Nur wenige Grundmauern und einige Tor- und Fensterbögen erinnerten noch an die Festung, die hier einmal trutzig über das Meer geblickt hatte. Doch es war der Ort selbst, den Eleanor als faszinierend empfand.
    Michael fing an zu erzählen. Er sprach von der Geschichte der Burg, die seit einer Erzählung Geoffreys of Monmouth aus dem Jahre 1135 als Geburtsort König Arthurs angesehen wurde. Er zeigte ihnen die einzelnen Burgabschnitte und erläuterte ihnen die Funktionen der jeweiligen Gebäudeteile. Seine Stimme hatte Mühe, gegen das Tosen des Windes anzukämpfen und mehr und mehr fiel sie in Eleanors Ohren in den Hintergrund, während sie sich interessiert umsah.
    Da – da war es wieder. Ein Schauer lief ihr den Rücken hinab, von dem sie sich nicht sicher war, ob er durch den kalten Seewind, oder durch etwas anderes verursacht worden war. Eleanor zog die Schultern ein und fröstelte.
    „Du kannst sie spüren, nicht?“, erklang Raphaels Stimme an ihrer Seite.
    „Was meinst du?“, fragte Eleanor, während sie ihre kalten Hände unter die Achseln schob.
    „Es sind zwei Geister “, raunte Raphael, um Michael und Bess nicht auf sich aufmerksam zu machen. „Sie stehen unmittelbar neben uns. Sie haben erkannt, dass ich sie sehen kann. Ihre Namen sind Dunstan of Barnstow und Henry of Stratton.“
    „Woher weißt du nur immer solche Dinge?“, zischte Eleanor gereizt zurück.
    „Ich bin ein Engel“, erwiderte Raphael kurz.
    „Was tun sie?“
    „Sie sehen mich entgeistert an. Sie können mich in meiner Engelserscheinung sehen und nun sind sie verunsichert und wissen nicht, was sie tun sollen.“
    „Ich kann sie nicht sehen.“
    „Nein. Es ist zu hell für dich.“
    In diesem Moment vermeinte Eleanor ein neues Geräusch zu vernehmen. Sie wusste nicht genau zu sagen, ob es eines der vielen Hintergrundgeräusche dieses Ortes war, das sich mit dem Heulen des Windes oder dem Tosen der Brandung mischte. Es war ein Wispern, das aus weiter Ferne zu kommen schien und fast vollständig von den anderen Geräuschen überlagert wurde.
    „Sie haben etwas gesagt, richtig?“, flüsterte Eleanor Raphael zu.
    Raphael nickte, während sein Blick starr auf Michael gerichtet war.
    „Was war es? Ich habe es nicht verstehen können. Es ist zu laut hier.“
    „Sie haben gefragt, ob ich sie erlösen werde.“
    Wieder war das Wispern zu vernehmen und ein neuer Schauer durchlief Eleanors Körper.
    „Wir sollten gehen!“, sagte Raphael in diesem Augenblick. „Eleanor friert und Bess sieht auch nicht aus, als ob es hier angenehm für sie wäre.“
    Michael hielt in seinem Vortrag inne. Er hatte bereits bemerkt, dass seine Zuhörer unaufmerksam geworden waren und blickte nun Bess und Eleanor irritiert an. Dann nickte er langsam.
    „Klar “, sagte er. „Dann gehen wir besser.“
    Die vier setzten sich in Bewegung und betraten wieder den schmalen Klippenweg, der sie über die Brücke zurück zum Festland bringen würde. Im Vorbeigehen blickte Bess Raphael dankbar an.
    „Ich dachte schon, sein Vortrag wäre nicht mehr zu bremsen “, zwinkerte sie Raphael mit einem Augenrollen in Michaels Richtung hin zu. Raphael grinste unbefangen zurück.
    Sie waren schon auf der anderen Seite angekommen, als Eleanor endlich Gelegenheit fand, Raphael zuzuraunen: „Was war da los? Warum sind wir so übereilt aufgebrochen?“
    „Die beiden hängen seit mehr als fünfhundert Jahren hier fest“, flüsterte dieser zurück. „Aber ihre Herzen sind noch immer schwarz und böse. Sie haben aus all ihren Ängsten bis heute nichts gelernt.“
    Eleanor nickte gedankenverloren. Sie bemühte sich nun, sich wieder auf den schmalen Weg zu konzentrieren, der hier am Rande der Klippe entlangführte.
    „Aber wenigstens die Kirche von St. Materiana sollten wir uns noch eben ansehen“, war Michaels Stimme vor ihnen zu hören. „Sie ist normannisch und wirklich bemerkenswert. Sie liegt gleich dort vorn hinter dem Hügel.“
    Bess, Eleanor und Raphael folgten Michael, der nun endgültig die Führung übernommen hatte und bald darauf sahen sie den kleinen, gedrungenen Turm der normannischen Kirche vor sich. Die letzten hundert Meter verlief der Weg über ein offenes Feld, dessen hartes, trockenes Gras dem salzigen Seewind seit Jahrtausenden trotzte und die Landschaft in ein bleiches

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