Höllenflut
stoppen, eröffnen sie das Feuer.«
»Meinen Sie, die stören unseren Funk, wenn wir einen Notruf
absetzen?«
»Mit Sicherheit. Jeder Funkspruch, den wir aussenden, wird
nur verstümmelt ankommen.«
»Könnte sich eins unserer Kriegsschiffe in der Gegend
aufhalten, ein Atom-U-Boot zum Beispiel?«
»Nein«, meldete sich Linda Ross aus der Radar- und
Feuerleitzentrale. »Das einzige Schiff im Umkreis von hundert
Meilen ist ein japanischer Autotransporter.«
»Na schön«, sagte Cabrillo seufzend. »Teilen Sie ihnen mit,
daß wir dem Befehl Folge leisten und beidrehen. Aber erklären
Sie ihnen auch, daß wir gegen dieses skandalöse Verhalten bei
der Welthandelskammer und beim Internationalen
Schiffahrtskomitee Beschwerde einlegen werden.«
Danach konnte Cabrillo nichts weiter tun, als abzuwarten und
den chinesischen Zerstörer zu beobachten, der sich im Zwielicht
näherte. Ruhigen Blickes musterte er das große Kriegsschiff, auf
das sowohl die beiden mittschiffs im Rumpf der Oregon verborgenen Harpoon-Raketen als auch die
Marksechsundvierziger-Torpedos in ihren Unterwasserrohren
und das 30-Millimeter-Oerlikon-Zwillingsgeschütz gerichtet
waren, das pro Lauf siebenhundert Schuß in der Minute abgeben
konnte.
Alle notwendigen Vorkehrungen waren getroffen. Cabrillo
war stolz auf seine Mannschaft. Keiner ließ sich die geringste
Angst oder Nervosität anmerken. Ihre Gesichter wirkten
vielmehr entschlossen, so als empfänden sie eine grimmige
Vorfreude bei dem Gedanken daran, daß sie sich mit einem
Gegner anlegten, der doppelt so groß und zehnmal so stark war
wie sie selbst. Sie mußten die Sache durchstehen, und zwar ohne
Gnade und Pardon. Jetzt gab es kein Zurück mehr, und sie
wollten den ersten Schlag austeilen.
Der Zerstörer stoppte seine Maschinen und trieb keine
zweihundert Meter von der Oregon entfernt dahin. Durch das
Nachtglas konnte Cabrillo die großen, weißen Ziffern am Bug
erkennen.
»Können Sie einen chinesischen Zerstörer mit der Nummer
116 identifizieren? Ich wiederhole: einssechzehn«, fragte er über
die Bordsprechanlage bei Ross an.
Wahrend er auf die Rückmeldung wartete, beobachtete er, wie
drüben auf dem Zerstörer ein Boot klargemacht und mittschiffs
zu Wasser gelassen wurde. Dann legte es von dem Kriegsschiff
ab, hielt auf den harmlos wirkenden alten Frachter zu und ging
keine zwölf Minuten später längsseits. Voller Genugtuung
stellte er fest, daß lediglich der Geschützturm mit den beiden
100-Millimeter-Kanonen auf die Oregon gerichtet war. Die
Raketenwerfer waren unbemannt und gesichert. Die Läufe der
37-Millimeter-Geschütze waren nach vorn und achteraus
gerichtet.
»Schiff ist identifiziert«, meldete sich Ross zurück. »Nummer
einssechzehn ist die Chengdo. Das größte und beste Schiff der
chinesischen Marine. Sie steht unter dem Befehl von Kapitän
Yu Tien. Wenn ich genügend Zeit habe, besorge ich Ihnen
seinen Lebenslauf.«
»Besten Dank, Ross, nicht nötig. Es ist immer gut, wenn man
den Namen des Feindes kennt. Halten Sie sich bitte feuerbereit.«
»Sämtliche Waffen sind feuerbereit, Herr Vorsitzender«,
antwortete Ross ruhig und gelassen.
Die Jakobsleiter wurde über die Bordwand geworfen, worauf
die chinesischen Seesoldaten, die von einem Marineleutnant und
einem Hauptmann der Marineinfanterie befehligt wurden, eilig
an Bord kletterten. Die Männer des Prisenkommandos wirkten
vergnügt, beinahe ausgelassen, eher wie auf einer Campingtour
als bei einem militärischen Einsatz.
»Verdammt!« fluchte Cabrillo. Es waren mehr als doppelt so
viele, als er gedacht hatte, und alle waren bis an die Zähne
bewaffnet. Um so mehr bedauerte er es, daß er nicht mehr
Männer für den bevorstehenden Kampf auf dem Hauptdeck
hatte abstellen können. Er schaute hinab zu Pete James und Bob
Meadows, den beiden Schiffstauchern und ehemaligen
Marineeinzelkämpfern, die mit Eddie Seng an der Reling
standen. Alle trugen schwere Mäntel, unter denen sie ihre
Maschinenpistolen verborgen hatten. Dann entdeckte er Pitt und
Giordino, die mit hocherhobenen Händen vor die beiden
chinesischen Offiziere traten.
Cabrillo packte die helle Wut. Wenn sich Pitt und Giordino
kampflos ergaben, hatten die anderen keine Chance - nicht
gegen mehr als zwanzig kampferprobte Seesoldaten. Die
Chinesen würden sie im Handumdrehen überwältigen und das
Schiff in ihre Gewalt bringen. »Ihr elenden Feiglinge!« brüllte
er und drohte Pitt und Giordino mit der Faust. »Ihr
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