Höllenflut
mit
Beinverletzungen am Boden. Seng war von zwei Kugeln am
rechten Arm getroffen worden. Er saß am Deck, hatte sich mit
dem Rücken an die Reling gelehnt, riß einen Hemdsärmel ab,
knüllte ihn zusammen und drückte ihn auf die Wunden, um die
Blutung zu stillen. Giordino lag neben ihm. Als er einem
chinesischen Seesoldaten mit voller Wucht die Faust in den
Bauch gerammt hatte, hatte er ihm den Kolben seines
Schnellfeuergewehrs über den Schädel gezogen. Beide waren
gleichzeitig zu Boden gegangen, der Chinese vor Schmerzen
zusammengekrümmt und nach Luft japsend, Giordino halb
bewußtlos.
Als Pitt sah, daß sein Freund nicht ernsthaft verletzt war, warf
er den Mantel mit den beiden künstlichen Armen ab und
schleppte sich zu dem Oerlikon. »Schon wieder. Ist das zu
fassen? Zweimal an derselben Stelle«, murmelte er vor sich hin.
Er drückte die Hand auf die Wunde, die nur zwei Zentimeter
über dem Verband lag, den der Arzt in Orion Lake angebracht
hatte, nachdem er sich dort ein Loch in den Hintern hatte
schießen lassen. In der anderen Hand hielt er eine
Maschinenpistole, die er einem toten Chinesen abgenommen
hatte.
Cabrillo stand wie angewurzelt auf der Brücke, als er sah, wie
Pitt quer über das Frachtdeck der Oregon stürmte, mitten durch
den verheerenden Hagel der 37-Millimeter-Geschosse der Chengdo, die rundum einschlugen und die an Deck vertäuten
Holzkisten zerfetzten. Pitt spürte den Luftzug, als sie haarscharf
an seinem Kopf vorbeipfiffen, aber wie durch ein Wunder
wurde er nicht getroffen.
Pitts Gesicht war vor Wut verzerrt, die leuchtendgrünen
Augen glühten förmlich vor wilder Entschlossenheit. Es war ein
Anblick, den Cabrillo nicht vergessen würde. Noch nie hatte er
einen Mann gesehen, der eine derartige Todesverachtung an den
Tag legte.
Und er schaffte das scheinbar Unmögliche. Sobald er sich zu
dem Oerlikon durchgeschlagen hatte, hob er die
Maschinenpistole und zerschoß die zerfetzten Überreste der zum
Feuerleitstand führenden Kabel, so daß er die Kanone von Hand
bedienen konnte. Dann schwang er sich hinter das
Zwillingsgeschütz und griff mit der rechten Hand zum Abzug,
der bislang noch nie benutzt worden war. Es war, als ob die alte Oregon noch einmal ihre ganze Kraft aufbot - wie ein übel
zugerichteter Boxer, der plötzlich wieder zurückschlägt,
nachdem er schon fast ausgezählt worden war. Doch Pitt richtete
das Oerlikon nicht wie erwartet auf die 37-Millimeter-Geschütze
und die Brücke der Chengdo, sondern feuerte mit beiden Läufen
auf den Turm des Zerstörers, dessen 100-Millimeter-Kanonen
nach wie vor auf den Frachter zielten und ihn jeden Moment
versenken konnten.
Zunächst sah es aus wie eine reine Trotzreaktion, ein
sinnloses Unterfangen, denn der Geschoßhagel prallte
wirkungslos von dem schwer gepanzerten Turm ab. Doch dann
begriff Cabrillo, was Pitt bezweckte. Trotzdem Wahnsinn,
dachte er, der helle, reinste Wahnsinn. Von einem in der
Dünung rollenden Schiff aus konnte nicht einmal ein
ausgezeichneter Scharfschütze die Mündung einer Kanone
treffen. Aber Cabrillo bedachte nicht die fürchterliche
Feuerkraft des Oerlikon, dessen beide Läufe zusammen
immerhin vierzehnhundert Schuß pro Minute abgeben konnten,
so daß Pitt durchaus eine Chance hatte. Drei Geschosse drangen
unmittelbar hintereinander in die Mündung des mittleren
Geschützes ein und trafen eine frisch nachgeladene Granate, die
prompt im Rohr krepierte.
prompt im Rohr krepierte.
Millimeter-Geschoß im Lauf hochgegangen, als eine weitere
Explosion den Turm erschütterte und ihn von innen zerfetzte
wie eine Blechbüchse. Übrig blieb nur mehr ein Haufen
schartiger Trümmer. Im gleichen Moment trafen die letzten
beiden Torpedos der Oregon den Rumpf der Chengdo, wobei
der eine wie durch ein Wunder durch ein bereits zuvor
gerissenes Loch in den Schiffsbauch eindrang. Der Zerstörer
erbebte unter einem gewaltigen Donnerschlag, dessen Wucht
ihn fast aus dem Wasser hob. Ein Feuerball hüllte das getroffene
Schiff ein, das sich jetzt wie ein tödlich verwundetes Tier zur
Seite legte. Drei Minuten später versank es zischend in den
Wogen. Zurück blieb nur eine riesige schwarze Qualmwolke,
die zum Nachthimmel aufstieg und die Sterne verdunkelte.
Die Druckwelle fegte über die Oregon hinweg, und die durch
den sinkenden Zerstörer aufgewühlten Wogen schaukelten sie
durch, als wäre sie in ein Seebeben geraten. Cabrillo hatte den
Untergang der Chengdo nicht mehr
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